Schwabhausen:"Vogelwuid" mitreißend

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Stephan Zinner auf der Kleinkunstbühne der Post in Schwabhausen und eine Standpauke des Wirts

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Kabarett im Landkreis boomt. Selten ist eine Veranstaltung nicht ausverkauft. Insofern wäre es seltsam und unerklärlich gewesen, wenn gerade einer der beliebtesten Kleinkunstbühnen im Landkreis hätte Schluss machen wollen. Deshalb trat Heinrich Kellerer vor dem Auftritt von Stephan Zinner in seinem Gasthaus zur Post in Schwabhausen auf die Bühne, um den Gerüchten persönlich entgegenzuwirken.

"Nein", sagte Heinrich Kellerer, "die Gerüchte, dass wir verpachten oder aufhören wollen, stimmen nicht." Sie seien wohl dadurch zustande gekommen, dass er mit "einem Verein, der schon seit hundert Jahren im Haus ist", keinen Vertrag über zehn oder noch mehr Jahre abschließen wolle. Ein solcher Vertrag, der auch in der Vergangenheit nicht notwendig gewesen sei, würde seine persönliche Handlungsfreiheit zu sehr einengen, für einen so langen Zeitraum könne und wolle er sich nicht binden. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Verein werde mit Sicherheit aber auch ohne Vertragsabschluss problemlos weitergehen. Sorgen müssen sich laut Heinrich Kellerer aber auch die Freunde der Schwabhausener Kleinkunstbühne nicht machen: "Die Reihe wäre das Letzte, was ich aufgeben würde", sagte Kellerer, "sie liegt mir so sehr am Herzen."

Den Zuhörern auch, wie der Auftritt von Stephan Zinner bewies. Es dürfte kaum jemanden in Bayern geben, der Stephan Zinner nicht kennt, und sei es auch nur in dessen Paraderolle: Zinner gibt schließlich beim Singspiel auf dem Nockerberg seit Jahren unseren Finanz- und Heimatminister Markus Söder. In die Haut eines anderen zu schlüpfen und ihn gnadenlos zu parodieren: Das ist durchaus Zinners Sache. Ganz er selbst darf er dagegen sein, wenn er in seinem eigenen Kabarettprogramm auf der Bühne steht und für seine Texte aus dem täglichen Leben schöpft, dem privaten als Ehemann und dreifacher Vater ebenso wie dem öffentlichen, in dem er sich allein bewegt.

"Wilde Zeiten" hat Stephan Zinner sein aktuelles Programm genannt, und sein erstaunt-amüsierter Blick fällt dabei auf Zeitgenossen, die sich in der Tat "vogelwuid" gebärden. Auf den nicht mehr so ganz jungen Porschefahrer mit sichtlich russischer Blondine an seiner Seite ("eine typisch Starnberger Mischung"), der rücksichtslos über den Grünstreifen brettert und sich dabei über mangelnde Ausweichbereitschaft anderer Verkehrsteilnehmer beschwert, auf die Smartphone-Wischer, die immer mal wieder einen Lampenpfosten oder ein Kleinkind (im konkreten Fall Zinners Tochter) übersehen, oder über Schwimmbadnutzer, die "ihre Bahn" im Schwimmbecken eisern verteidigen.

Da geht es Stephan Zinner besser: Er kann auf der Bühne Dampf ablassen und tut das in höchst eigenwilliger Form: mit unglaublich viel Körpereinsatz, wilder Gestik und Mimik - und in einem ebenso wilden, weil nur für ein oberbayrisches Publikum in allen Pointen verständlichen Bairisch. Letzteres ist Programm: "If you don't speak the Bavarian language you have fucking Pech ghabt", lässt Zinner sein Publikum gleich zu Beginn wissen.

Stephan Zinner ist, kein Zweifel, ein begabter und leidenschaftlicher Schauspieler und bringt in sein Soloprogramm natürlich auch die Erfahrungen aus verschiedensten Tätigkeiten beim Theater und beim Film mit ein. Er ist aber auch ein mitreißender Musiker: einer, der offensichtlich mit Rock, Blues, Country Music und Jazz groß geworden ist und all diese Einflüsse in seine Musik mitbringt. Egal ob Zinner sich dabei auf der Gitarre begleitet oder in einem "Work Song" von der Ödnis der Arbeit im Großraumbüro singt: Zinner könnte mit seiner kraftvollen Stimme, seinem exzellenten Gitarrenspiel und seinen Texten auch ein abendfüllendes Musikprogramm bestreiten.

Nach dem Gastspiel war klar, dass Wirt Kellerer auch die Konkurrenz in Dachau mit großem Kabarettprogramm nicht fürchten muss. Er hat über die Jahre ein sehr beständiges, breites Publikum an sich binden können, das nach wie vor lange Wartezeiten in Kauf nimmt, wenn einmal im Jahr die Abos für die kommende Saison verkauft werden. Für 2016 hat er wieder eine Reihe großer Namen gebucht.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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