Schwabhausen:Klänge wie in New Orleans

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Ludwig Seuss bringt den Blues nach Schwabhausen

Von Anna-Sophia Lang, Schwabhausen

Ein kleines Wagnis ist Post-Wirt Heinrich Kellerer mit der Ludwig Seuss Band eingegangen. Als sie vor neun Jahren bei der Kleinkunstbühne in Schwabhausen spielte, war das Interesse nicht besonders groß. Warum, das wird wohl keiner verstehen, der am Freitag zum Konzert in die Post gekommen ist. 200 Menschen sind es dieses Mal, der Raum ist bis auf den letzten Stuhl besetzt, und was die Band auf der Bühne abliefert, versetzt alle Besucher in elektrisiertes Wippen.

Ludwig Seuss ist vor allem als Mann der Tasten von der Mundart-Rock'n'Roll-Band Spider Murphy Gang bekannt. Seine wahre musikalische Heimat liegt aber nicht im Münchner Westen, wo er aufgewachsen ist und lange Jahre gelebt hat, sondern noch viel weiter im Westen. In New Orleans, Louisiana, in der Südstaatenmusik, da ist er zu Hause. Mit Blues, Boogie und R'n'B kennt er sich nicht nur aus, das kann er auch. Selbst als er noch in der Schule war, spielte Seuss schon in einer BluesBand. Seit 1990 ist er mit seiner eigenen Band unterwegs, die sich einer ganz besonderen Form der Südstaatenmusik verschrieben hat, dem Zydeco. In ihm vermischt sich die Cajun-Musik der im 18. Jahrhundert aus Kanada vertriebenen, französischen Siedler mit afroamerikanischen Einflüssen. Seuss gilt heute vielen als bester Zydeco-Künstler Europas, sowohl am Akkordeon als auch kompositorisch. Man merkt seiner Musik an, dass sie zu ihm gehört und er zu ihr. Egal, ob am Piano, an der Orgel oder am Akkordeon, sein Spiel mit den Tasten ist immer leichthändig und präzise. Zusammen mit Peter Kraus' Schlagzeug, Gerhard Eisens Bass und Christoph Böhms virtuos gespielter Gitarre ergibt das einen natürlichen Sound wie aus einem Guss.

Seuss ist keine Rampensau. Selbstdarstellung ist ihm fremd. Auf seinen CDs, die er mit internationalen Größen wie Louisiana Red, Pee Wee Ellis oder Popsy Dixon aufgenommen hat, hat er es nicht nötig, sich in den Vordergrund zu drängen. Dafür ist er bekannt, dafür wird er geschätzt. Auch in Schwabhausen redet er wenig, macht einfach Musik. Nur einmal erzählt er eine Geschichte über sich, in der es mehr um den Ort geht, an dem er gerade auftritt, als um ihn selbst. Oder besser gesagt: um Sittenbach, Ziel jahrelanger Seuss'scher Familienausflüge, wo es, natürlich, grandiosen Schweinebraten gibt. Ins Herz geschlossen hat das Publikum die Band schon längst vor seiner Anekdote. Ihre Musik macht glücklich, wenn im Saal schon niemand aufsteht und die Boogie Woogie Moves auspackt, zucken doch viele ganz ordentlich im Rhythmus mit den Schultern. "Feel so good" ist rotzfrech und herausfordernd, bei "Let the four winds blow" hält man es nur schwer auf seinem Stuhl aus. "Lead me on" ist voller Sehnsucht und Hoffnung, bei "The Moon is full again" kann man die heißen Sommernächte Louisianas förmlich auf der Zunge schmecken. "Down the road" ist der krönende, krachende Abschluss.

Seuss' Stimme bringt das charakteristische, dreckige Kratzen in die Stücke, das ihnen noch mehr Profil gibt. Die Blues-Sequenzen inmitten des tanzbaren Boogie kühlen die Füße und bringen flüchtigen Herzschmerz. Es gibt Momente, die klingen nach betrunkener, verrauchter Melancholie in einer Blues-Bar irgendwo in New Orleans, die man nur finden kann, wenn man nicht nach ihr sucht. Kurze Zeit später ist der Moment verflogen und die Leichtigkeit zurück. Die Band geht ganz selbstverständlich in der Vielzahl der Einflüsse auf. Als Seuss zum ersten Mal sein Akkordeon in die Hand nimmt, fangen die vier Musiker an zu jammen, als stünden sie in ihrem Wohnzimmer. "Sowas kannst du ruhig öfter machen", ruft eine Frau aus dem Publikum Heinrich Kellerer auf dem Weg nach draußen entgegen. Wenn der Post-Wirt ein Wagnis eingegangen ist, dann hat es sich gelohnt.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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