Schreiben des Frauenhauses Dachau:Markus Söder antwortet nicht

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Awo-Chef Oskar Krahmer bittet den Ministerpräsidenten in einem Brief, sich persönlich für eine bessere Ausstattung von Frauenhäusern einzusetzen. Doch die Staatskanzlei geht mit keinem Wort darauf ein

Von Marie Groppenbächer, Dachau

Oskar Krahmer, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Landkreis, ist schockiert. Eigentlich möchte er keine Stellung nehmen. Nur soviel: "Wir sind über das Schreiben sehr enttäuscht". Bei dem Schreiben vom 1. Oktober dieses Jahres handelt es sich um die Antwort auf Krahmers Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU), den er am 30. August verfasst hatte. In diesem forderte Krahmer den Ministerpräsidenten auf, sich persönlich der seiner Ansicht nach untragbaren Zustände in bayerischen Frauenhäusern anzunehmen. Untragbar findet Krahmer vor allem die Förderrichtlinien für Frauenhäuser, die aus dem Jahr 1993 stammen und nicht mehr zeitgemäß seien. Sie habe es schon gegeben, als der Awo-Vorsitzende das Frauenhaus in Dachau vor 20 Jahren gründete und hätten sich seitdem kaum verändert. Seit langem fehle es der Einrichtung an Geld, Platz und Personal.

Allein 2017 musste das Dachauer Frauenhaus 160 der 172 Anfragen ablehnen. Mehr Platz und Geld als für zwölf Frauen und 14 Kindern, über das Jahr verteilt, standen schlicht nicht zur Verfügung, sagt Krahmer. Und die Anfragen nehmen stetig zu. Laut Bundesfamilienministerium hat mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren körperliche oder sexuelle Übergriffe durch den Ehemann oder Lebenspartner erlebt. Zudem habe sich der weibliche Bevölkerungsanteil zwischen 18 und 60 Jahren im Landkreis in den vergangenen Jahrzehnten verdoppelt hat.

Das Frauenhaus Dachau bietet fünf Frauen und sechs Kindern in Situationen häuslicher Gewalt eine geschützte Wohnmöglichkeit. In einer Art Wohngemeinschaft leben die Frauen zusammen, wobei jede Frau für die Versorgung ihres Haushaltes und ihrer Kinder selbst verantwortlich ist. Das Ziel des Konzepts: Hilfe zur Selbsthilfe. Um das Erlebte verarbeiten zu können und einen Weg zurück in ein geregeltes und eigenständiges Leben zu finden, stehen bei der Betreuung der Frauen Beratung und Begleitung im Vordergrund. Mindestens ein bis zweimal die Woche finden Einzel- und Gruppengespräche statt, in der schwierigen Anfangsphase und in Krisenzeiten sogar täglich. Themen wie Trennung, Scheidung, Beziehungsgestaltung, Umgangsregelungen und Erziehung stehen im Vordergrund.

Außerdem erhalten die Frauen Raum, um über ihre Erfahrungen und ihre Situation zu sprechen. Das Frauenhaus hilft ihnen, ein Netzwerk aufzubauen und vermittelt dabei weitere Anlaufstellen. Das ist wichtig, um den Frauen auch über ihren Aufenthalt im Frauenhaus hinaus helfen zu können. Die meisten sind stark traumatisiert. Ein Zustand, der sich bei einer laut Richtlinien durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von sechs Wochen nicht beheben lasse. Den Kindern wird ebenfalls eine heilpädagogische Unterstützung zur Seite gestellt. Hier erfahren sie, dass sie mit ihren Problemen und körperlichen sowie seelischen Verletzungen nicht allein sind.

Selbst Frauen, denen der notwendige Aufenthalt in einer solchen Einrichtung gewährleistet werden konnte, merkten spätestens bei der Nachbetreuung, dass die Kapazitäten nicht ausreichen und diese nur zeitlich begrenzt möglich sei. Ein riesiges Problem stellt auch der freie Wohnungsmarkt dar, auf dem kaum mehr bezahlbare Wohnungen zu finden sind.

Zur "Chefsache"solle Markus Söder die Förderung der bayrischen Frauenhäuser machen, forderte Oskar Krahmer in seinem Brief. Er wird konkret: "Finanzieren Sie den Frauen und ihren Kindern aus dem Staatshaushalt ein Übergangsgeld, um hohe Mieten und Kautionen abfedern zu können oder finanzieren Sie ambulante Übergangswohnungen."

Die Antwort kam aus der Bayrischen Staatskanzlei in München, unterzeichnet von Ministerialdirigent Thomas Gruber, und sie ist weder persönlich noch konkret. Schon im zweiten Satz wird die Verantwortung den Landkreisen zugewiesen. Sie seien es, die "in ausreichendem Maß Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder zur Verfügung" stellen müssten. Dabei ist die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Dachau besonders gut, wie Krahmer betont. Landrat Stefan Löwl (CSU) helfe dem Frauenhaus so weit es möglich ist. Krahmer fordert jedoch eine grundsätzliche Änderung von Seiten des Freistaates Bayern wie auch des Bundes - das heißt für ihn, ein wirklich an die veränderten Verhältnisse mit einer steigenden Zahl von Gewaltopfern angepasstes Hilfsprogramm und dessen konkrete Umsetzung.

Der Drei-Stufen-Plan, den das bayerische Familienministerium entwickelt hat, soll jeder Form von Gewalt konsequent entgegenwirken. Die Frauenhäuser bekommen eine Million Euro mehr aus dem Nachtragshaushalt von 2018. Das macht bei 38 staatlich geförderten Frauenhäusern in Bayern rund 26 000 Euro mehr als bisher aus. Experten halten das für nicht ausreichend. In dem Schreiben der Staatskanzlei wird dennoch erklärt, der Freistaat setze sich nachdrücklich für die Verbesserung der Situation gewaltbetroffener Frauen ein. Am Ende wird es noch persönlich: Der Brief schließt mit einem "herzlichen Dankeschön" für Krahmers "unverzichtbaren Einsatz für das Frauenhaus Dachau".

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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