Schönbrunn:Schwebende Stimmen

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Ein renommierter Kammerchor: Die Kölner Kantorei unter der Leitung von Georg Hage bewies mit ihrem Kirchenkonzert großes Können. (Foto: Toni Heigl)

Die Kölner Kantorei führt in der Schönbrunner Kirche St. Joseph das geistliche Konzert "Stabat Mater" in vier verschiedenen Vertonungen auf - mit beeindruckender Präsenz und packender Dichte

Von Bärbel Schäfer, Schönbrunn

Dreimal schwebte das "Kyrie" mit filigraner Helligkeit durch den Kirchenraum, bevor die Männerstimmen mit den gellenden Rufen "Kyrie eleison" einen eindringlichen Akzent setzten. Die gesungene Bitte "Herr, erbarme dich" war der emotionale Auftakt eines wunderbaren Konzertes der Kölner Kantorei in St. Joseph in Schönbrunn. Das geistliche Konzert "Stabat Mater - O quam tristis et afflicta" des renommierten deutschen Kammerchores war dem Leiden der Gottesmutter im Angesicht der Passion gewidmet. Kurz vor Ostern sollen der Schmerz und die Trauer einer Mutter, die ihren sterbenden Sohn ans Kreuz genagelt sieht, wahrgenommen, bedacht und bestaunt werden, um aus der Erlösung des Heilands neue Kraft und Hoffnung zu schöpfen.

Die Kölner Kantorei unter der Leitung von Georg Hage führte das mittelalterliche Gedicht in vier verschiedenen Vertonungen auf. Giovanni Pierluigi da Palestrinas und Felice Anerios frühe Kompositionen aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert wurden zeitgenössische Kompositionen von Knut Nystedt und Colin Mawby gegenüber gestellt. Viermal derselbe zehnstrophige Text in völlig unterschiedlichen musikalischen Umsetzungen, die eine veränderte Sichtweise und die musikalische Entwicklung widerspiegeln - weiter kann man den Bogen einer Glaubensauffassung und Interpretation von der ältesten bekannten polyfonen Vertonung bis hin zur jüngsten aus dem vergangenen Jahr nicht spannen.

Eingebettet wurden die vier "Stabat Mater" in Motetten und Stücke über das Mysterium des Leidens und Sterbens Christi und das Kreuz als Symbol der Erlösung, ebenfalls aus verschiedenen Epochen. Werke von Knut Nystedt, der 2015 seinen einhundertsten Geburtstag feiern wird, bilden den Rahmen des Programms. Sein "O Crux" - eine Meditation über das Kreuz als Symbol der Erlösung - bildete den Mittelpunkt. Schillernde, fast schwebende Klangflächen türmten sich auf und entfalteten ihre eruptive Kraft, stets changierend zwischen Dur und Moll.

Ein höchst anspruchsvolles, akademisch verankertes Konzert also, das vom 41-köpfigen Kölner Konzertchor in beeindruckender Präsenz und packender Dichte aufgeführt wurde. Abgerundet wurden die Vokalstücke durch kurze Cello-Improvisationen von Johanna Stein. Die Cellistin ließ sich von der nachdenklichen und düsteren Stimmung der zeitgenössischen Chorstücke inspirieren, spielte beseelt und technisch versiert.

Das Konzertprogramm versinnbildlichte die Passion. Auf das "Kyrie" aus Knut Nystedts "Missa brevis" folgte die Motette "Tristis est anima mea" von Johann Kuhnau, dem Vorgänger Johann Sebastian Bachs als Thomaskantor. Die vertonten Worte Jesu "Meine Seele ist betrübt bis an den Tod" kurz vor seiner Gefangennahme wurden von den Frauenstimmen als anmutige Klage gesungen und verwoben sich mit den dunklen Männerstimmen. Eine höchst kunstvolle Stimmenverflechtung erfordert auch Palestrinas "Stabat Mater". Die Sängerinnen und Sänger teilten sich in zwei Chöre. Federnd sang der Chor über die Mutter voller Schmerzen, voll mitfühlendem Pathos über ihre brennende Liebe im "Fac, ut ardeat cor meum", bis er schließlich eine zarte Klage um die Seele im Paradies anstimmte: "Quando corpus morietur, Fac ut anima donetur Paradisi gloriae". In Trond Kvernos wiegenliedartigem "Corpus Christi Carol" schwang sich eine wunderbares lyrisches Sopransolo in die Höhe. Einen krassen Bruch mit dieser Zartheit und vor allem der Balance Palestrinas bedeutete das expressive "Stabat Mater" des Litauers Vytautas Barkauskas von 1990. Auf- und absteigende Klangflächen, laute dissonante Ausbrüche und der Gegensatz von Flüstern und Schreien zeigten die Gottesmutter als eine vom Schmerz Zerrissene ohne Hoffnung.

Der 1936 geborene englische Organist und Chorleiter Colin Mawby vollendete sein "Stabat Mater" im vergangenen Jahr. Voller emotionaler Tiefe und Intensität stellt es ähnlich wie Barkausas Komposition die Seelenqual in den Vordergrund, verheißt aber auch die Aussicht auf Hoffnung. Mit Felice Anerio schloss sich der Kreis zu Palestrinas allererster "Stabat Mater"-Vertonung. Drei Chöre standen sich gegenüber und gaben sich in eleganter Stimmführung dem Reiz dieser berührenden Musik hin. Mit Antonio Lottis "Crucifixus" und Knut Nystedts "Agnus Dei" aus der "Missa Brevis" spürte der Chor dem Leiden nach und bereitete das Publikum auf die österliche Glaubensaussage vor.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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