Schönbrunn:Die Farbe der Musik

Lesezeit: 3 min

Nach dem Abschied von Jaroslav Opela als Dirigent der Sinfonischen Sommernächte in Schönbrunn übernimmt Wilde-Gungl-Nachfolger Michele Carulli den Dirigentenstab. Und tritt gleich noch als Solo-Klarinettist auf

Von Adolf Karl Gottwald, Schönbrunn

Eigentlich ist eine Schönbrunner Sommerserenade ohne die Mitwirkung des Dirigenten Jaroslav Opela kaum vorstellbar. Von Anfang an hat er die vom Kulturkreis Röhrmoos veranstaltete Serenade auf dem Marienplatz zu Schönbrunn als Dirigent oder, wenn er ausnahmsweise nicht selbst stabführend und moderierend vor dem Orchester stand, zumindest als musikalischer Berater mitgestaltet. Vor allem hat er zwei Orchester in Schönbrunn heimisch gemacht - zum einen das Münchner Orchester Wilde Gungl, das er 40 Jahre lang als Chefdirigent geleitet hat, zum anderen das Sinfonieorchester Karlsbad, bei dem er gern gesehener Gastdirigent war.

Vor wenigen Wochen feierte Jaroslav Opela seinen 80. Geburtstag und nimmt jetzt am kommenden Samstag erstmalig nur als Gast an einer Schönbrunner Sommerserenade teil. Doch selbst als Zuhörer hat Opela noch wesentlichen Anteil. Das Orchester der Sommerserenade 2015 ist wieder die Wilde Gungl, die ohne ihn nie den Weg mitten in den Landkreis Dachau gefunden hätte und offenbar weiterhin das Stammorchester der Schönbrunner Sommerserenaden sein wird. Beim Abschiedskonzert von "seinem" Orchester in der ausverkauften Münchner Philharmonie übergab Jaroslav Opela offiziell und feierlich den Dirigentenstab seinem Nachfolger Michele Carulli, den sich das Orchester aus einer Reihe von Bewerbern erwählt hatte. Wie Carulli dirigiert und musiziert, wird man am kommenden Samstag hören und sehen.

Jaroslav Opela, ehemaliger Dirigent der Sinfonischen Sommernacht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das vorbereitete Programm unterscheidet sich merklich von den Programmfolgen der bisherigen Schönbrunner Sommerserenaden und trägt wohl bereits Carullis Handschrift. Es beginnt mit "Quattro versioni originali della Ritirata notturna di Madrid", das ist Luciano Berios Bearbeitung eines außerordentlich lustigen und anschaulichen Stückes Programmmusik von Luigi Boccherini. Es geht um die Nachtwache in Madrid, die mit Trommelwirbel aufzieht und allerlei Straßenszenen begegnet. Boccherini selbst hat zwar gesagt, dieses Stück sei außerhalb Spaniens absolut nutzlos, sogar lächerlich, weil die Zuhörer nicht einmal hoffen könnten, die Bedeutung dieses Stücks zu verstehen, und die Musiker nicht wüssten, wie es richtig gespielt werden soll. Dem widerspricht aber die Beliebtheit der "Ritirata notturna di Madrid" auch außerhalb Spaniens.

Der zeitgenössische italienische Komponist Luciano Berio lässt in seinem Orchesterstück vier bekannte Fassungen der "Ritirata" gleichzeitig ("konkurrierend") spielen, teils synchron, teils asynchron anschwellend und abnehmend. Sein Orchesterstück soll aber eine attraktive Annäherung oder sagen wir Fantasie über Boccherinis spanische Nachtwache sein. Danach folgt ein Klarinettenkonzert von Saverio Mercadante sowie Introduktion, Thema und Variationen für Klarinette und Orchester von Gioachino Rossini. Der süditalienische Komponist Saverio Mercadante, geboren 1795 in der Provinz Bari, gestorben 1870 in Neapel, war in seiner Zeit ein gesuchter und in ganz Europa erfolgreicher Opernkomponist. Er schrieb 60 Opern für Mailand, Venedig, Wien, Madrid, Lissabon, Turin, Rom, Paris, Bologna und Neapel, er war aber auch Domkapellmeister und komponierte 20 Messen sowie andere Werke der Kirchenmusik, auch Sinfonien und Konzerte. Seinen großen Erfolg verdankt Mercadante seiner meisterhaft erfundenen kantablen Melodik, bei der er sich von dem 18 Jahre jüngeren Giuseppe Verdi beeinflusst zeigt.

Michele Carulli, Dirigent der Sinfonischen Sommernacht in Schönbrunn. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Rarität ist sein Klarinettenkonzert. Dieses bis jetzt unbekannt gebliebene Klarinettenkonzert sowie das bekannte, außerordentlich virtuose Werk "Introduktion, Thema mit Variationen" von Rossini sollte ursprünglich der Klarinettist Enrico Maria Baroni als Solist vortragen, doch er ist erkrankt und musste sein Engagement absagen. Zum Glück ist Michele Carulli nicht nur Dirigent, sondern auch Klarinettist. Carulli ist als Solo-Klarinettist von Claudia Abbado entdeckt und gefördert worden. Er begann seine musikalische Karriere im Orchester der Mailänder Scala. Er wird die beiden konzertanten Werke selbst spielen und zugleich die Wilde Gungl dirigieren.

"Variations on an original theme op. 36" von Edward Elgar sind unter dem Namen "Enigma-Variationen" bekannt geworden. Die 14 Variationen sind nach Elgars Erklärung Skizzen seiner Freunde, von denen jeder auf seine Art und Weise versucht, das Rätsel ("Enigma") - so ist das Thema genannt - zu lösen. Über dieses "Enigma" wurde viel spekuliert, doch das Rätsel wurde nie endgültig gelöst. Edward Elgar sagt, sein Werk soll einfach als farbenreiches Musikstück gehört werden. Gleiches wünscht sich der Veranstalter, der Kulturkreis Röhrmoos unter der neuen Leitung von Michael Wockenfuß, von den Zuhörern. Gründungsvorsitzender Michael Christoph zog sich bekanntlich im Frühjahr aus seinem Amt zurück.

11. Sinfonische Sommernacht in Schönbrunn, Samstag, 11. Juli, 20 Uhr, Karten an den üblichen Vorverkaufsstellen. Weitere Informationen: www.kultur-roehrmos.de

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: