Schnelle Hilfe:Das neue Gesicht der Psychiatrie

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(Foto: Toni Heigl)

Die Dachauer Tagesklinik und Ambulanz unter der Federführung des Bezirkstagspräsidenten Josef Mederer (CSU) bietet maßgeschneiderte Hilfe in Wohnortnähe

Von Petra Schafflik, Dachau

Es kann jeden treffen. Egal ob Mann oder Frau, jung oder alt, aus einfachen Verhältnissen oder reichem Elternhaus: Jeder Dritte erlebt mindestens einmal im Leben eine massive seelische Krise, gerät in eine Situation, in der er professionelle psychiatrische oder psychotherapeutisch Hilfe braucht. Noch vor ein paar Jahren war dann dezentrale Unterstützung kaum zu finden, ein stationärer Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik erwies sich oft als notwendig. Diese Zeiten sind vorbei. Denn seit 2016 bietet das Isar-Amper-Klinikum Dachau Menschen in seelischer Not oder akuten Krisen eine maßgeschneiderte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung in Wohnortnähe. Die Einrichtung unter dem Dach der Kliniken des Bezirks Oberbayern (Kbo) wird mit Ambulanz und Tagesklinik intensiv genutzt, wie Nicolay Marstrander, Chefarzt des Kbo-Klinikums Fürstenfeldbruck und Dachau, bei einem Pressegespräch erklärte. "Das zeigt, dass die Bevölkerung diese Angebot braucht", betonte Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU), der sich seit Jahren für die Regionalisierung der Psychiatrie stark macht.

"Zwangseinweisungen sind selten geworden, sie sind die Ausnahme von der Ausnahme und die allerletzte Möglichkeit", betont Mederer. Eine erfreuliche Entwicklung, die durch den Ausbau der dezentralen Angebote möglich wird. Wer nicht mehr weiter weiß, kann über eine zentrale Rufnummer den Krisendienst für München und Oberbayern anrufen. Seit wenigen Wochen ist dieser Notruf rund um die Uhr besetzt, "da sind wir die ersten in Bayern und ganz Deutschland", betont Mederer stolz. Allein 2000 Menschen greifen jeden Monat in Oberbayern zum Telefon, holen sich Soforthilfe. "Oft ist es mit einem einzigen Gespräch schon getan", erklärt Mederer. Wer als Landkreisbürger umfassendere oder auf längere Zeit angelegte Therapie benötigt, findet diese im 2016 eröffneten Kbo-Isar-Amper Klinikum Fürstenfeldbruck mit 88 stationären Betten. Oder wohnortnahe in der ebenfalls vor zwei Jahren neu initiierten Dachauer Tagesklinik mit Institutsambulanz. All diese Einrichtungen sind im psychiatrischen Versorgungsnetz Dachau integriert. Die Ambulanz ist gefragt, wenn in einer akuten Krise rasch ein Facharzttermin benötigt wird. "Da können wir kurzfristig und individuell reagieren, auch aufsuchende Hilfen organisieren", erläutert Facharzt Gabor Horvath, der Ambulanz und Tagesklinik in Dachau leitet. Weil für viele Menschen in seelischen Krisen zwar eine kontinuierliche Therapie, nicht aber zwingend ein stationärer Aufenthalt nötig ist, gibt es die Tagesklinik mit 22 Plätzen. Dorthin kommen die Patienten morgens, durchlaufen ihr persönliches Behandlungsprogramm und kehren abends nach Hause zurück. Die Patienten können gleichzeitig in ihrem gewohnten sozialen Umfeld wohnen bleiben, erklärt Peter Brieger, Ärztlicher Direktor des Kbo-Isar-Amper-Klinikums.

Ein Team von Medizinern, Fachtherapeuten und Sozialpädagogen gewährleistet neben der psychiatrisch-psychotherapeutische Akutbehandlung auch Kunst- und Ergotherapie, Bewegungs- und Gemeinschaftsangebote, lebenspraktische Unterstützung bis hin zur Vermittlung von

längerfristigen Hilfen. Beide Einrichtungen - Tagesklinik wie Ambulanz - sind intensiv ausgelastet. Allein im Jahr 2017 wurden 133 Patienten in der Tagesklinik und 1202 Patienten ambulant behandelt. Natürlich darunter einige, die zuvor im Kbo-Klinikum in Haar betreut worden sind und nun froh sind über das deutlich wohnortnähere Angebot. Aber aus den Zahlen spreche auch ein zuvor ungedeckter Bedarf. "Wir erreichen Menschen, die wir zuvor nicht erreicht hätten", betont Brieger. "Das ist wertvoll und wichtig."

Doch die Entwicklung in der psychiatrischen Versorgung geht weiter. In einer immer älter werdenden Gesellschaft gelte es, das alterspsychiatrische Angebot auszubauen. Auch werde man die Tagesklinik ausbauen müssen, "da sehe ich eher die Zukunft", sagte Bezirkstagspräsident Mederer. Und der Weg geht immer weiter weg von stationären Einrichtungen. In München erprobt man bereits ein Konzept, das Psychiatrie-Patienten ausschließlich ambulant und zu Hause betreut. Auch dieses System könnte auf längere Sicht auf die ländlicheren Regionen ausgedehnt werden.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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