Schlosskonzert in Dachau:Kreislers Geige

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Susanne Hou entlockt dem Instrument des legendären Violinisten ein virtuoses Solo, das ganz anders klingt als die Töne, die ihr berühmter Kollege einst spielte

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Es soll der legendäre Geiger Fritz Kreisler gewesen sein, der bei einer sehr vornehmen (wohl auch sehr reichen) Familie zum Musizieren eingeladen war - mit anschließendem großen Menü. Die Frau des Hauses war von der Musik angetan und sagte zu Kreisler: "Sie müssen eine großartige Geige haben!" - was Fritz Kreisler ärgerte, weil damit nicht sein überragendes Spiel, sondern nur das Instrument gewürdigt wurde. Als er sich verabschiedete, bedankte er sich für das erlesene Menü und sagte zur Hausfrau: "Sie müssen fantastische Kochtöpfe haben!"

Diese berühmte Geige von Fritz Kreisler war jetzt in Dachau zu hören. Die Geigerin Susanne Hou spielte sie in ihrem Konzert mit der "Sinfonietta Cracovia" aus Krakau; die Stradivari Gesellschaft Chicago hat ihr diese "ex-Mary Portman, Fritz Kreisler Guarneri del Gesu, Cremona"-Geige von 1735 ausgeliehen.

Susanne Hou spielte zunächst das Konzert für Violine und Streichorchester E-Dur von Johann Sebastian Bach. Mit Musik von Bach hat Kreisler seine Geigen seinerzeit nur wenig in Berührung gebracht. Susanne Hou spielte dieses neben den Konzerten von Vivaldi bekannteste barocke Violinkonzert wie zu erwarten sehr gut, doch in keiner Weise ungewöhnlich oder gar Aufsehen erregend. Den zweiten Satz nahm sie sehr langsam, fast romantisch im Pianissimo. Zur sogenannten historischen Aufführungspraxis hat Fritz Kreislers Geige kein Verhältnis, was aber kein Manko ist.

Die Sinfonietta Cracovia begeisterte durch ihr markiges Spiel. (Foto: Niels P. Joergensen)

Auf Bach folgte Mozart, und zwar dessen Konzert D-Dur für Violine und Orchester KV 218. Das war eine andere Welt der Musik und des Musizierens. Susanne Hou spielte Mozart bezaubernd schön. Ihr Ton auf dieser Geige war zwar nicht der Kreisler-Ton, aber doch auch von einer berückenden Süße und Feinheit. Ihr geigerisches Können zeigte sie vor allem in einer sehr großen, virtuosen Solokadenz im ersten Satz. Das war hinreißend. Mozart verlangt nach dem Allegro des ersten Satzes ein Andante cantabile und ein Andante grazioso für das Rondeau zum Schluss. Welch feiner Unterschied. So graziös wie von Susanne Hou gespielt war das Rondeau dieses Violinkonzerts wohl kaum jemals zu hören.

Die Sinfonietta Cracovia hatte zu Beginn mit einer sehr gefälligen "Symphonia de Nativitate", also einer über polnische Volkstänze und Weihnachtslieder geschriebenen Sinfonie eines unbekannten polnischen Barockkomponisten sowie mit der zehnten der Schülersinfonien, die Felix Mendelssohn unter der Anleitung seines Lehrers Carl Friedrich Zelter geschrieben hat, zum Bach-Violinkonzert hingeführt. Ihr großer sinfonischer Auftritt war die Aufführung der Sinfonie Nr. 34 Es-Dur von Joseph Haydn, die im 19. Jahrhundert den Beinamen "Merkur" erhielt. Wie diese Sinfonie zum Namen des römischen Gottes für Handel und Verkehr kam, ist unerklärlich. Die Aufführung war so großartig, wie diese sehr selten gespielte, musikalisch gewiss nicht leicht zugängliche Sinfonie konzipiert ist. Einem Haydn-Biographen fiel, wohl beim Anhören des ersten Satzes oder des Finalsatzes das Wort "markig" ein. So könnte man auch die straffe Aufführung durch die Sinfonietta Cracovia beschreiben. Das Adagio in der bei Haydn seltenen Tonart As-Dur zählt zu den "Perlen Haydnscher Satzkunst", und diese Perlen stellen sowohl an die Musiker als auch an die Zuhörer hohe Anforderungen. Die Sinfonietta Cracovia zeigte mit dieser als Höhepunkt ihres Programms gespielten Haydn-Sinfonie, wie groß die Musik des Wiener Klassikers Haydn nicht nur in den berühmten Londoner Sinfonien ist.

Susanne Hou verzauberte ihre Zuhörer mit Süße und Feinheit. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Als Zugabe spielte das von seinem Konzertmeister Maciej Lulek vom ersten Pult aus geleitete Orchester eine Ouvertüre in g-Moll. Was ist das für eine Musik, vielleicht ein ganz unbekannter Haydn? Aber für Haydn ist sie doch etwas zu markig! Was war's? Es war die 1805 geschriebene Ouvertüre des polnischen Komponisten Franciszek Lessel, der 1797 zum Medizinstudium nach Wien kam, dort aber sich ganz der Musik widmete und Schüler Joseph Haydns wurde, bei dem er bis zu dessen Tod 1809 blieb. Joseph Haydn schätzte ihn sehr, und wir können der Sinfonietta Cracovia nur dafür danken, dass sie uns mit Lessels sehr eindrucksvoller Ouvertüre bekannt gemacht hat.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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