Rückzug:"Die Politik ist für mich beendet"

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Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag will Martin Güll seine Ämter als Orts- und Kreisvorsitzender der SPD abgeben. Im Interview analysiert er das schlechte Wahlergebnis und spricht über seine persönliche Zukunft

Interview von Robert Stocker

Das Rote Sofa steht noch an einer Wand, aber vermutlich nicht mehr lange. Das Markenzeichen des SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll hat ausgedient. Ebenso wie sein Bürgerbüro in der Dachauer Altstadt, das er noch im Oktober schließen wird. Bei drei Landtagswahlen erzielte Güll im Landkreis ein besseres Ergebnis als seine Partei. Für einen erneuten Einzug ins Maximilianeum reichte es am vergangenen Sonntag trotzdem nicht. Der Seiteneinsteiger in die Politik, der zum Shooting Star der SPD im Landkreis wurde, scheidet nach zehn Jahren aus dem bayerischen Landtag aus. Im Gespräch mit der Dachauer SZ zieht er Bilanz seiner Abgeordnetenzeit, analysiert den dramatischen Absturz der Sozialdemokraten und wirft einen Blick auf seine persönliche Zukunft.

SZ: Herr Güll, Ihre politische Karriere auf Landesebene ist wohl beendet. Können Sie nachts schon wieder ruhig schlafen?

Martin Güll: Ich habe auch jetzt immer gut geschlafen. Natürlich war es in den Tagen nach der Wahl ein bisschen hektischer. Ich war gespannt, ob es mit dem Wiedereinzug in den Landtag doch noch klappen könnte. Jetzt ist es vorbei und so auch okay.

Aber es ist ein großer Einschnitt in Ihrem Leben.

Ich habe entsprechend meinem Alter ( Güll ist 65 Jahre alt, die Red.) sowieso nur zwei Legislaturperioden angedacht. Dass es eine dritte würde, war nicht unbedingt vorgesehen. Insofern kann ich gut damit leben.

Bei den drei Landtagswahlen 2008, 2013 und 2018 haben Sie mehr Stimmen als die Partei im Landkreis erhalten. Das heißt: Sie sind im Landkreis eine populäre Figur.

Es ist immer wichtig, dass man bei den Bürgern in seinem Landkreis ankommt. Es ist eine große Genugtuung für mich, dass der persönliche Zuspruch immer noch da war.

Mit einem Stimmenanteil von 8,5 Prozent rangiert die SPD im Landkreis hinter der AfD. Damit ist die SPD eigentlich keine Volkspartei mehr.

Wir haben in Sulzemoos, Pfaffenhofen an der Glonn und Odelzhausen, aber auch in Altomünster dramatisch schlechte Ergebnisse eingefahren. In diesen Orten sind aber auch die Parteistrukturen der SPD sehr schlecht. Wenn überhaupt gibt es dort keine lebendigen Ortsvereine. In meinen Hochburgen wie Hilgertshausen-Tandern oder Markt Indersdorf sieht es natürlich besser aus. Aber in der Summe war das Ergebnis dramatisch schlecht.

Warum erreicht die SPD nicht mehr die Wähler?

Der Abwärtstrend hat auch den Landkreis erfasst. Viele Ursachen für das schlechte Abschneiden liegen in Berlin. Die Leute trennen nicht zwischen den Themen. Das haben wir bei den Gesprächen an den Infoständen gesehen. Die Flüchtlings- oder die Rentenpolitik sind keine Landesthemen, die werden in Berlin behandelt. Trotzdem muss auch die Bayern-SPD ihre Hausaufgaben machen, etwa bei den Strukturen der Partei auf dem flachen Land. Da können wir kaum noch Leute erreichen. Die Ortsvereine bröckeln weiter ab. Das ist in vielen bayerischen Landkreisen so. Ohne geeignete Strukturen erreicht man auch mit Veranstaltungen die Menschen nicht.

Laut Wahlanalysen hat die SPD auch Wähler an die AfD verloren. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?

Das stimmt, aber da fallen wir nicht aus dem Rahmen. Offenbar gibt es einige Wähler, für welche die SPD keine ausreichenden Antworten auf die Flüchtlingsfragen gibt. Wir haben bei diesem Thema eine liberalere Sicht. Wir sind eine breit aufgestellte Partei mit vielen Strömungen. Deshalb ist es für mich kein Wunder, dass wir auch Wähler an die AfD verloren haben. Die Unzufriedenheit gerade des älteren SPD-Klientels hat sich auch bei vielen Gesprächen an den Infoständen gezeigt.

Glauben Sie, dass Sie selbst auch Fehler gemacht haben?

Das kann ich persönlich nicht sagen. Ich habe meine Arbeit getan wie viele andere auch. Natürlich hatte ich ein gewisses Handicap: Durch meine Sprecherrolle in der Landtagsfraktion und meine Funktion als Vorsitzender des Bildungsausschusses war ich in Bayern natürlich viel unterwegs und musste den Landkreis manchmal vernachlässigen. Wir müssen bei der SPD mit wenigen Leuten viele Menschen bedienen und sind deshalb nicht so oft wie gewünscht im Landkreis präsent. Man muss diesen Spagat zwischen Landesebene und eigenem Stimmkreis hinbekommen. Wenn ich in Franken unterwegs bin, kann ich in Oberbayern keine Stimme bekommen.

Früher war Ihr Bürgerbüro in Markt Indersdorf angesiedelt, einer Ihrer Hochburgen. Seit einigen Jahren befindet es sich in der Dachauer Altstadt. War die Verlagerung des Bürgerbüros ein strategischer Fehler? Hat das überhaupt eine Rolle gespielt?

Ich glaube schon, dass die Präsenz vor Ort eine Rolle spielt. Indersdorf war für mich ein Glücksfall. Es ist geografisch der zentrale Ort im Landkreis. Der Kontakt zu den Leuten war hier viel größer. Man konnte dort Sommerfeste veranstalten, die Räumlichkeiten waren besser und größer. Viele Leute aus dem Umkreis von Indersdorf haben gesagt, dass ich dort abgegangen bin als Repräsentant der Politik. Im Nachhinein gesehen würde ich es vielleicht nicht mehr machen. In Dachau ist der Kontakt viel schwieriger aufzubauen, weil man viel anonymer ist. Der Bürowechsel hat sich leider nicht ausgezahlt.

Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit im Landtag nach zehn Jahren mit?

Diese Zeit war für mich absolut positiv. Sie hat mein persönliches Leben bereichert, auch vom Fachwissen her. Ich bin mit Leib und Seele Bildungsmensch und habe in diesen zehn Jahren so viele Leute und Schulen kennengelernt, dass ich meinen Horizont gewaltig erweitern konnte. Das würde ich nie missen wollen. Diese zehn Jahre waren für mich eine tolle Zeit.

Sie waren ja nicht nur in der Landespolitik engagiert, sondern sind auch Mitglied des Gemeinderats Hilgertshausen-Tandern und des Dachauer Kreistags. Tragen Sie sich mit dem Gedanken, sich jetzt auch aus der Kommunalpolitik zurückzuziehen? In eineinhalb Jahren stehen die nächsten Kommunalwahlen an.

Definitiv. Ich werde weder für den Kreistag noch für den Gemeinderat kandidieren. Ich ziehe auch da meine Konsequenzen. Die Politik ist jetzt für mich beendet. Ich werde auch aus dem Vorstand des SPD-Unterbezirks ausscheiden und trete zur Wahl im nächsten Frühjahr nicht mehr an. Ich strebe keine Ämter mehr an und gehe geordnet in den Ruhestand über.

Das ist ja auch eine schöne Perspektive.

Absolut, ich habe ja auch das Alter dazu. Der Ausstieg ist ein vernünftiger Zeitpunkt für mich.

Wie sehen Ihre persönlichen Pläne für die Zukunft aus?

Pläne habe ich ganz viele. Erst einmal muss hier alles abwickeln. Das dauert sicher noch einige Zeit. Ich werde das Bürgerbüro im Oktober schließen, das ein reines Abgeordneten- und kein Parteibüro ist. Mein Mandat endet am 4. November. Ich glaube nicht, dass die Räume als Parteibüro weiter betrieben werden. Dafür fehlen die Strukturen und die Finanzmittel.

Gehen Sie jetzt auf große Reisen?

Da muss ich noch bis 2020 warten, wenn meine Frau in den Ruhestand geht. Wir besitzen ein Wohnmobil und nutzen gern jede freie Minute um zu reisen. Ich bin ein großer Fan von Franken, wo meine Tochter lebt. Dort richten wir gerade ein Domizil ein, das ist viel Arbeit.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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