Ried:Faszinierender Sturschädel

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Dem Weiherer ist über die SPD nichts Positives eingefallen. (Foto: Toni Heigl)

Der Weiherer aus Niederbayern begeistert beim kabarettistischen Neujahrsempfang der SPD in Markt Indersdorf

Von Renate Zauscher, Ried

Kabarett statt politischer Reden. Kabarett als Stimmungsaufheller für schwierige Zeiten. Seit bald einem Jahrzehnt veranstaltet der SPD-Ortsverein in Markt Indersdorf mit Hubert Böck seinen ganz besonderen Neujahrsempfang für die Sozialdemokraten des gesamten Landkreises. Auf der Bühne im Gasthof Doll in Ried stand heuer der Weiherer. Das ist ein in Niederbayern aufgewachsener Liedermacher, der die Menschen im ausverkauften Saal mit seiner Musik, frechen Sprüchen und sehr viel Temperament immer wieder zu begeistertem Beifall hinriss.

Christoph Weiherer, der auf einen Vornamen verzichtet, gehört zu den Bühnentieren, die ihr Publikum vom ersten Moment an im Griff haben. Schmal, mit rückenlanger Naturfrisur, in ausgewaschenen Jeans, springt er im Gasthof Doll die Stufen zur improvisierten Bühne hinauf, wirft die Arme hoch, ruft ein "Servus miteinand" in den Saal - und hat schon alle Sympathien für sich gewonnen. Schnell noch ein kleiner Scherz: " Ich sollte was Positives über die SPD sagen - aber mir is nix eingefallen."Dann legt er los mit einem Song über seine "Lieblingsfeindbilder" bei der CSU, die "einfach ned aussterben wollen", auch wenn sie wie etwa der Stoiber schon nicht mehr ganz aktuell sind. Aber auch "der Ude hat mirs Kraut ausgeschüttet mit seiner dritten Startbahn": "Braucht's es die hier heraußen?" ruft Weiherer in den Saal. Und ein sicher 150-stimmiges "Nein" schallt ihm entgegen. Besonders hart geht Weiherer mit dem Bundesverkehrsminister um: Ein "Volldepp" ist der laut Weiherer, der zum Beweis aus einer Dobrindt-Rede zitiert. Immerhin darf Letzterer als Namensgeber fungieren für die Band, mit der Weiherer auf Tour geht, wenn er nicht, wie in Indersdorf, solo unterwegs ist.

Als "Politbarde" und "niederbayerischer Radikalpoet" ist der Weiherer bezeichnet worden, als "Liederterrorist" sieht er sich selber. Beides aber trifft den Kern dessen, was der 35-Jährige macht und will, nur ungenau. "Radikal" ist der hörbar aus Niederbayern stammende Dialekt. Hinter den Verbalattacken verbirgt sich eine hohe Sensibilität für Menschen, die Angst vor der Heimatlosigkeit haben, und auch für Menschen, welche den Wandel in der Welt als Ausgeliefertsein erleben und welche sich nicht mehr geborgen fühlen können. Und dann gibt es noch den Weiherer der verrückten Ideen. Das Publikum jubelte, wenn er davon erzählte, wie man den ungeliebten Nachbarn per Fernsteuerung die Fußballübertragung hacken und ihn damit zur Weißglut treiben könnte oder wie man die Konsum- und Werbewelt mit der Angabe falscher Postleitzahlen beim Einkauf ins Chaos stürzen könnte.

Verpackt sind nachdenkliche Weltbetrachtung und Fantasie beflügelter Unsinn in mitreißende Musik. Weiherer stammt aus einer musikalischen Familie, hat schon als Kind verschiedene Instrumente erlernt und brilliert bei seinen Soloauftritten als Gitarrist und Bluesharp-Spieler. Nach einer 14-jähriger Bühnenkarriere darf Weiherer mittlerweile das Gefühl haben, angekommen zu sein: Am 1. Mai ist er beispielsweise zusammen mit den "Dobrindts" im Mekka des Kabaretts, im Lustspielhaus in München zu Gast.

Eines allerdings lehnt Weiherer entschieden ab: Er tritt weder bei reinen politischen Veranstaltungen etwa für Wahlkampfzwecke noch bei Firmen-Events auf: Er will sich von keiner Seite vereinnahmen lassen. "Das ist die Freiheit, die ich mir leiste", sagt er, auch wenn sie nicht umsonst zu haben sei.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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