Regionalwettbewerb "Jugend musiziert":Kleine Hände, großer Auftritt

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Bei "Jugend musiziert" kommt es auf Können an - und auf starke Nerven: Vom Regionalwettbewerb kehren alle sieben Teilnehmer aus dem Landkreis als Preisträger heim. Zum Landeswettbewerb schafft es aber nur der Dachauer Benjamin Darabi Far

Von Manuel Kronenberg, Dachau

Für kurze Zeit herrscht große Aufregung in der Opernschule in München, ausgelöst durch eines der Jurymitglieder. Es ist kurz nach zwölf. Luise Bachmayer soll gleich mit der Violine vorspielen, hier in dem kleinen Veranstaltungsraum der Hochschule für Musik und Theater. Die Sechsjährige gehört zu den jüngsten aller Teilnehmer, die an diesem Wochenende beim Regionalwettbewerb "Jugend musiziert" dabei sind. Etwa 20 Leute haben auf den Stühlen Platz genommen. Sie tuscheln, ein kleiner Junge ermahnt seine Mutter: "Mama, Handy aus!" Dann setzt sich Luise auf einen Hocker, der neben dem Flügel steht. Ein Herr aus der Jury tritt vor das Publikum, um das Vorspiel des Mädchens anzumoderieren. Mit Beethoven werde die junge Geigerin beginnen, sagt er, und zwar mit einem "Siciliano".

"Nein!", ertönt es da aus den Zuschauerreihen. Eine Dame steht auf und läuft nun ebenfalls vor. Es solle doch das Lied "Marmotte" von Beethoven sein! Nicht dass die Kleine etwas präsentieren muss, was sie gar nicht vorbereitet hat. Es herrscht Verwirrung, was spielt Luise denn nun? Die Dame dreht den Musikständer herum, sodass der Juror das Notenblatt sehen kann. Dieser nickt. Stimme doch alles, sagt er: das Lied "Marmotte" im Siciliano-Rhythmus. Das junge Mädchen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und beginnt mit ihrem Vorspiel, das sie souverän meistert.

Das Trio aus Benjamin Darabi Far und den OIchinger Geschwistern Clara und Christoph Kilian überzeugte die Jury. (Foto: Manuel Kronenberg)

Die ganze Aufregung war umsonst - meistens sind Eltern und Familie eben viel nervöser als die eigentlichen Stars, ihre Töchter und Söhne, die sich vor ein Publikum und eine Jury wagen.

In den Räumlichkeiten der Hochschule ist einiges los. Hier und im Steinway-Haus wird der Wettbewerb ausgetragen. Schon im hellen Eingangsbereich tummeln sich die Leute. Junge Menschen mit Instrumentenkoffern auf dem Rücken laufen durch den Lichthof, oft in Begleitung der ganzen Familie. Durch die geschlossenen Türen der Einspielräume dringen Klangfetzen von Aufwärmübungen auf die Korridore. Ungefähr 330 Kinder und Jugendliche treten beim Wettbewerb an, entweder als Solisten mit einem Streichinstrument, als Begleitmusiker oder zusammen mit anderen in einem Ensemble. Sie kommen aus der Stadt München und den umliegenden Landkreisen. Von den Wettbewerbern wird ein Programm mit Musik aus verschiedenen Epochen gefordert. Und so sind von Renaissance über Barock und Romantik bis hin zur klassischen Moderne viele verschiedene Stile vertreten. Eine dreiköpfige Fachjury vergibt bis zu 25 Punkte. Ab 21 Punkten erhält man einen ersten Preis, ab 23 Punkten obendrein eine Weiterleitung an den Landeswettbewerb.

Vor der Opernschule hat sich ein kleines Grüppchen auf dem Gang gebildet. Auch der Dachauer Benjamin Darabi Far ist dabei. Er wird gleich gemeinsam mit den Geschwistern Clara und Christoph Kilian aus Olching auftreten. Zusammen mit dem Lehrer stehen sie vor der geschlossenen Tür, während man von drinnen Klavier- und Streicherklänge vernehmen kann. Es gibt noch letzte Anweisungen vom Lehrer, der deutlich angespannter zu sein scheint als die drei Jugendlichen. Der 13-jährige Benjamin hält seine Noten fest und hört schweigend zu. Dann ertönt Applaus aus dem Veranstaltungsraum, und sie können eintreten.

Mit fünf Jahren hat der mittlerweile 13-jährige Benjamin Darabi Far zum ersten Mal bei "Jugend musiziert". (Foto: Toni Heigl)

Die Luft im Raum ist stickig, die Sitzplätze sind restlos belegt, alle warten gespannt auf den Auftritt. Benjamin wirkt ruhig, er ist aber trotz seines jungen Alters schon erfahren. Mit fünf Jahren hat er zum ersten Mal bei "Jugend musiziert" teilgenommen. Im vergangenen Jahr ist er wie sein Bruder Fabian Darabi Far bis zum Bundeswettbewerb vorgedrungen. Heute ist es bereits seine fünfte Teilnahme am Regionalwettbewerb. Benjamin spricht nicht viel, sobald er aber am Klavier sitzt, kommt er aus sich heraus. Und so ist es auch heute wieder, als er vor dem großen roten Vorhang am Flügel Platz nimmt und gemeinsam mit den Kilians das Vorspiel beginnt. Mit Julius Klengel, Claude Debussy und Peter Ludwig haben sie drei Stücke aus verschiedenen Epochen im Programm. Die drei liefern einen virtuosen Auftritt ab. Sie harmonieren gut zusammen, achten jederzeit aufeinander. Gerade das letzte Stück "Café Banlieu" erfordert eine präzise Zusammenarbeit; immer wieder spielen sich die beiden Streicherstimmen abwechselnd die Melodie zu. Mit dieser lebhaften Nummer schließt das Ensemble das Vorspiel ab. Das Publikum klatscht begeistert.

Als sie wieder draußen auf dem Gang stehen, besprechen sie ihren Auftritt. Sie alle sind gespannt. Aber sie müssen noch die Vorspiele von vier weiteren Ensembles abwarten, bis sie erfahren, wie die Juroren ihre Darbietung bewerten. Vielleicht schaffen sie es ja sogar bis in den Landeswettbewerb. Für Benjamins Schwester Isabel ist dieser Traum leider schon geplatzt. Sie wollte eigentlich mit der Geige auftreten, hat sich aber kurz vor dem Wettbewerb die Hand verstaucht. Deshalb mussten sie und ihr Bruder Fabian, der sie am Klavier begleiten wollte, die Teilnahme absagen. Neben Benjamin Darabi Far sind aus dem Landkreis Dachau noch sechs weitere Musikerinnen und Musiker dabei: die Solisten an der Geige Elise Brunner aus Schwabhausen, Laetitia Kausch aus Arnbach, Samuel Voiler aus Erdweg und Julia Fabisz aus Karlsfeld. Ellen Heinrich aus Großberghofen und Philipp Heinrich aus Erdweg spielen mit dem Kontrabass vor.

Auf dem Gang, der die beiden Lichthöfe der Hochschule verbindet, öffnet sich eine Tür. Aus dem Orgelsaal strömen Leute hinaus. Die meisten von ihnen bleiben auf dem Flur stehen und besprechen sich. Gerade hat hier die Ergebnisbekanntgabe für die Zupf-Ensembles stattgefunden. Thomas Klokkers und Tobias Sonneck, 17 und 15 Jahre alt, haben mit ihren Eltern einen Kreis gebildet. Die beiden Jugendlichen aus Gröbenzell sind zuvor als Gitarren-Duo aufgetreten und haben nun ihre Bewertung erhalten: 23 Punkte. Sie sind überglücklich, denn obwohl sie schon öfter aufgetreten sind, waren sie ganz schön aufgeregt. Da passiere es schon mal, dass man sich verspiele, weil die Finger klamm werden, erzählt Thomas. "Jetzt haben wir den ersten Platz und auch noch eine Weiterleitung an den Landeswettbewerb bekommen", sagt Tobias und strahlt.

Alle Musiker, die ein ähnlich gutes Ergebnis erzielt haben, dürfen wie die beiden in die nächste Runde. Dann werden sie sich in den Osterferien in Hof wiedersehen, wo es um den Einzug in den Bundeswettbewerb geht.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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