Regionale Produkte:Bauern bleiben auf Getreide sitzen

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Die Solidargemeinschaft Unser Land hat zu viel Mehl und deshalb einen Abnahmestopp verfügt. 20 Landwirte klagen nun über Umsatzeinbußen.

Von Julia Putzger

Der Regionalvermarkter Unser Land nimmt Landwirten ein Jahr lang kein Getreide ab. Der Grund: Es gibt noch große Mengen von der vergangenen Ernte. Für die 20 Bauern aus dem Münchner Umland, die ihre Produkte an die Solidargemeinschaft liefern, bedeutet das finanzielle Einbußen. Josef Riedlberger aus Altomünster, einer der Betroffenen, gibt vor allem den Konsumenten die Schuld an der Situation. Diese kauften entweder billigere Ware oder Bioprodukte, die regionalen Erzeugnisse, die zwar nah am Biostandard sind, bleiben dagegen im Regal. Zudem gibt es nur wenige Bäcker im Landkreis Dachau, die mit regionalem Mehl backen.

Riedlberger ist der einzige im Landkreis, der Weizen, Roggen und Dinkel für Unser Land anbaut. Er zeigt sich enttäuscht über die Entwicklung. Zwar kam die Information über den Abnahmestopp im Februar noch rechtzeitig vor der Aussaat, sodass Riedlberger in diesem Jahr konventionell anbauen kann. Doch die Verkaufspreise für den nicht nach den strengen Richtlinien von Unser Land erzeugten Weizen und Roggen seien wesentlich geringer. Immerhin nimmt Unser Land trotz Abnahmestopp weiterhin Dinkel an.

"Die bittere Realität ist, dass man unterbewusst doch lieber zum Produkt greift, das zehn Cent billiger ist"

"Das schöne an dem Konzept ist der Kontakt zwischen den Verarbeitungsstufen, den es sonst nur noch selten gibt. Ich kenne den Müller Kraus aus der Würmmühle und weiß, dass ich ihm gutes Getreide liefern muss, damit er dem Bäcker schließlich gutes Mehl anbieten kann", erklärt Riedlberger begeistert. Der Landwirt ist bereits seit 20 Jahren Teil des Unser-Land-Netzwerks. Dass dieses Konzept nun nicht mehr aufgeht, ist für ihn ernüchternd. "Die bittere Realität ist, dass man unterbewusst doch lieber zum Produkt greift, das zehn Cent billiger ist. Und wer wirklich bewusst kauft, nimmt das Bioprodukt, an dem wir zwar sehr nah dran sind, aber das wir eben nicht sind."

Riedlbergers These wird gestützt durch die Tatsache, dass die Unser-Land-Brote, die in Rewe-Märkten verkauft wurden, Ende 2018 wieder ausgelistet wurden. "Das ist ein Erfahrungswert, den wir im Lebensmitteleinzelhandel gemacht haben: Der Verbraucher wünscht sich Bioprodukte", erklärt Marianne Wagner, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei Unser Land. Dementsprechend beliefert Unser Land die Filialen von Rewe und Edeka seit März mit Biobroten. Diese werden mit Mehl aus allen zehn Solidargemeinschaften zentral in der Fritz Mühlen Bäckerei in Aying im Landkreis München hergestellt.

Die Bäcker brauchen einiges an Idealismus

Seitens der Bäcker im Landkreis Dachau zeigt sich, dass es einiges an Idealismus benötigt, um die Kooperation mit Unser Land aufrechtzuerhalten und sich von den günstigeren Preisen der Konkurrenz nicht einschüchtern zu lassen. Von anfangs sieben teilnehmenden Bäckereien im Landkreis Dachau sind zwei übrig geblieben: Mair's Backstube in Altomünster und die Bäckerei Kornprobst in Hilgertshausen. Als Befürworter von regionalen Kreisläufen greift Bäckermeister Georg Kornprobst für sein Mehl vom Dachauer Land ordentlich in die Tasche: Ungefähr 10 000 bis 12 000 Euro mehr als konventionell erzeugtes Mehl kostet ihn das pro Jahr. Neben der Regionalität liegt Kornprobst auch die gute Qualität, die durch die strengen Richtlinien zustande kommt, am Herzen. "Die Bauern haben so zwar weniger Ertrag, aber das Mehl ist dafür sozusagen gesünder." Kornprobst will auch weiterhin sein Mehl vom Dachauer Land beziehen.

Von "mehreren Differenzen", auf die sie nicht näher eingehen möchte, spricht hingegen Nicole Schön, Chefin der Bäckerei Denk in Dachau. Mit den Streitigkeiten, die derzeit im Landkreis Fürstenfeldbruck herrschen, hat dies jedoch nichts zu tun. Dort stören sich die Bäcker daran, dass Unser Land eine Kooperation mit der Amazon-Tochter Prime Now eingegangen ist. Lebensmittel würden dadurch nicht mehr so regional vermarktet wie gewünscht. Dennoch ist Prime Now ein regionaler Lieferdienst, der nur in München verfügbar ist.

Streit zwischen Bäckern und Unser Land eskaliert

Eskaliert ist der Streit zwischen Bäckern und Unser Land als die Bäckerei Wimmer im vergangenen Jahr aus Unser Land ausgestiegen ist. Diese hatte ungefähr die Hälfte der gesamten Mehlmenge der Solidargemeinschaft abgenommen. Vermutlich einer der Gründe, weshalb in diesem Jahr noch so viel Mehl vorrätig ist. Schön bezieht für ihre Bäckerei Denk schon seit einigen Jahren kein Mehl mehr von der Solidargemeinschaft, obwohl sie "gerne dabeigeblieben" wäre, sagt sie.

Am diesjährigen Abnahmestopp wird sich wohl nichts mehr ändern. Dennoch appelliert Getreidebauer Riedlberger an die Konsumenten, sich bewusst zu machen, dass Ressourcenschonung bei Unser Land gelebt werde. Bioprodukte zu kaufen, sei indes nicht immer der richtige Weg: "Beim biologischen Anbau geht der Trend immer mehr hin zu großen Strukturen, besonders aus dem Ausland bekommen wir Konkurrenz", sagt der Landwirt aus Altomünster. Der Umweltgedanke komme dabei zu kurz. Unser Land biete hingegen die Chance zum bewussten und regionalen Konsum. Das Volksbegehren zur Artenvielfalt habe gezeigt, dass Naturschutz und Ressourcenschonung vielen wichtig sei, deshalb sei es an der Zeit, dass der Verbraucher nun auch entsprechend seiner Unterschrift lebe.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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