Randalismus in Dachau:Panzertape hilft

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In der Unterführung zum Dachauer S-Bahnhof repariert KVD-Künstlerin Katrin Schürmann zum wiederholten Mal ihre Arbeit "Vice Versa". (Foto: Niels P. Jørgensen)

KVD-Künstler trotzen Attacken auf ihre Werke

Erneut sind Kunstwerke der Freiluftausstellung "Raus" in Dachau mutwillig beschädigt worden. Getroffen hat es nun schon zum dritten Mal die Arbeit "Vice Versa" der Haimhausener Künstlerin Katrin Schürmann in der Bahnhofsunterführung. Außerdem wurde ein MyARTerl von Margot Krottenthaler am Unteren Markt - man muss es fast so formulieren - ausgeraubt. Hinter Glas hatte die Künstlerin im Stil einer Puppenstube eine Szene aus den Siebzigerjahren nachgestellt. Auf dem Boden liegt ein Mädchen und sieht fern; in einer Sendung über Picasso lernt sie die moderne Kunst kennen. Am Montag wurde die Glasscheibe zerschlagen und das Puppenmobiliar entwendet. Wer so etwas macht und warum, ist Margot Krottenthaler ein Rätsel. Das Glas wurde mittlerweile ersetzt, die Inneneinrichtung nicht.

Schon bei der Vernissage vor zweieinhalb Wochen waren die auf Folien gedruckten Fotos von "Vice Versa" der Künstlerin Katrin Schürmann aus den Ösen gerissen worden. Diesmal ist der Grad der Zerstörung allerdings noch massiver. "Diesmal haben sie es in der Mitte durchgerissen", sagt Schürmann. Nach der ersten Zerstörung hatte sie mit der Reparatur noch gehadert. Diesmal nicht. "Ich bin einfach hingefahren und habe es mit Panzertape wieder zusammengeklebt."

Die Gründe für die hartnäckige Zerstörungswut kann sich Schürmann nicht erklären. "Ich weiß nicht mehr, ob es Vandalismus ist oder ein politischer Standpunkt. Die Tendenz geht dahin zu glauben, dass es von rechts kommt." Manche Kommentare deuten darauf hin, dass es Leute gibt, die sich empören, dass Schürmann nur deutsche Kolonialherren auf dem Bild aus Afrika zeigt, andere Völker hätten schließlich auch Kolonialismus in Afrika betrieben.

"Der Vorwurf ist erstens total falsch", so Schürmann, "weil einer der Herren Engländer ist, und außerdem steckt in dem Motiv keinerlei Anschuldigung. Ich bin dort aufgewachsen, das ist ein Foto aus meinem Privatbesitz." Groß geworden ist Schürmann nämlich auf einer Rinderfarm in Namibia. Ihre eigene Vita ist selbst eng mit der Geschichte der deutschen Kolonialisierung in Afrika verbunden. Und auch das Flüchtlingsbild auf der gegenüberliegenden Seite hat mit ihr persönlich zu tun. Schürmann engagiert sich seit Jahren für den Helferkreis Haimhausen, der Flüchtlingen hilft, sich im deutschen Alltag zurechtzufinden. "Man kann mir also auch keine rassistischen Intentionen vorwerfen". Ihr Kunstwerk ist nun mit grauem Panzertape geklebt, "man sieht jetzt wirklich die Streifen in der Mitte, wo es durchgerissen wurde", aber das ist es Schürmann wert, ein Zeichen gegen die Zerstörungswut zu setzen. "Vielleicht möchte jemand einfach demonstrieren, dass er alles kann". Dagegen hilft nur Panzertape.

Vor zwei Wochen hatten Unbekannte im Moorbadpark eine etwa 300 Kilogramm schwere Keramik der Gastkünstlerin Luise Koch vom Sockel gestoßen und dadurch komplett zerstört. Weil die frei stehenden Kunstwerke nicht versichert sind - solche Vorkehrungen hätten die Kosten der Ausstellung in eine Höhe getrieben, die für die KVD untragbar gewesen wäre - hat Luise Koch ihre zweite Keramik abgebaut und in Sicherheit gebracht. 200 Arbeitsstunden stecken in jeder der Plastiken, die in einem speziellen Großofen gebrannt wurden. Allein der wirtschaftliche Schaden für die junge Künstlerin beläuft sich auf rund 7000 Euro. Abgefedert werden soll der Verlust durch ein Budget, das die KVD extra für Schadensfälle eingerichtet hat.

Nach den Vorfällen hat sich der Vorstand der KVD zusammengesetzt, um darüber zu beraten, wie man mit der mutwilligen Beschädigung der Kunstwerke umgehen soll. Doch so verstörend und frustrierend die Attacken sind, die Ausstellung zu reduzieren oder gar abzubrechen, kommt für die KVD gar nicht in Frage. "Jetzt einzupacken wäre das falsche Signal", sagt der Vorsitzende Johannes Karl. Denn die Rückmeldungen der Dachauer auf die ungewöhnliche Ausstellung in ihrer Stadt sind großteils sehr positiv - auch und gerade bei den Leuten, die nicht zu den üblichen Vernissagegästen in den Dachauer Galerien und Ateliers zählen. "Der Begeisterung der vielen steht die Zerstörungswut einzelner gegenüber", sagt Johannes Karl.

Im Vorfeld der Ausstellung hatten viele der ausstellenden Künstler mit Sorge auf die Volksfestzeit geblickt, wenn haufenweise angetrunkene Leute durch die Stadt ziehen. Gruppen in alkoholisiertem Zustand kommen bekanntermaßen nicht immer auf die besten Ideen. Diese Befürchtung hat sich jedoch als unbegründet erwiesen. "Es hat in dieser Zeit eigentlich keine nennenswerten Schäden gegeben", sagt Johannes. "Und das ist doch mal eine erfreuliche Nachricht."

© SZ vom 22.08.2019 / gsl, hkj - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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