Quartiersmanagerin für Dachau Ost:Die Eingeborene

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Sabina Endter-Navratil blickt auf eine erfolgreiche Stadtteilarbeit in Dachau-Ost zurück. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Sozialpädagogin Sabina Endter-Navratil war enorm wichtig, dass das Projekt Soziale Stadt-Dachau-Ost über die Erwartungen der Politik hinaus erfolgreich ist. Denn die 51-Jährige stammt von dort und kennt die Wünsche und Sorgen aus eigenem Erleben. Jetzt hört sie auf, und die Verwaltung sucht einen Nachfolger

Von Walter Gierlich, Dachau

"Absolut positiv" fällt die Bilanz aus, die Sabina Endter-Navratil über die viereinhalb Jahre zieht, in denen sie als Quartiersmanagerin des Förderprogramms Soziale Stadt Dachau-Ost fungierte. "Es hat immer alles wunderbar geklappt", sagt die Sozialpädagogin, die im Juli aufhört. Die Stelle ist neu ausgeschrieben, das Auswahlverfahren läuft. Seit die heute 50-Jährige im Januar 2012 die Teilzeitstelle antrat, hat sie unzählige Projekte, Veranstaltungen und Aktionen im bevölkerungsreichsten Viertel Dachaus koordiniert, die engagierte Bürger aus dem Stadtteil auf die Beine gestellt hatten. Vor allem aber hat sie zusammen mit der Stadtverwaltung, dem Quartiersbeirat und mehreren von Bürgern getragenen Arbeitskreisen das 2010 beschlossene Integrierte Handlungskonzept des Förderpro-gramms umgesetzt.

Angefangen mit der Sozialen Stadt hat es schon 2008, als Dachau in das städtebauliche Förderprogramm aufgenommen wurde, das zu je 30 Prozent von Bund und Land finanziert wird. Die jeweilige Kommune muss also lediglich 40 Prozent für die Maßnahmen zur Aufwertung sozialer und städtebaulicher Strukturen aufbringen. Dennoch stand die Dachauer Teilnahme schon vor dem Start auf der Kippe, weil es CSU und Freien Wählern plötzlich zu teuer erschien. Nach längerem Hickhack konnte das Projekt im Sommer 2010 dann doch noch starten.

Erster Quartiersmanager wurde damals am 1. September Horst Willems, der zuvor in Göttingen tätig gewesen war. Im Herbst 2010 gab es zwei Stadtteilkonferenzen, bei denen die Bürger Wünsche und Anregungen einbrachten, aus denen zusammen mit dem Stadtbauamt und einem Planungsbüro das Integrierte Handlungskonzept erarbeitet wurde. Es war nicht das erste Bürgerbeteiligungsprojekt in Dachau, doch anders als die sogenannte Integrative Stadtentwicklung, in der jahrelang umfassende Vorhaben zusammengetragen, aber so gut wie keine davon umgesetzt wurden, waren die Wünsche der Ostler überschaubarer. In der Rückschau auf die vollständig verwirklichten Projekte nennt Endter-Navratil sie "leistbar und realistisch".

Als Willems nach nur 16 Monaten Anfang 2012 aufhörte, trat mit Endter-Navratil eine Nachfolgerin an, die in dem Stadtteil verwurzelt und bestens vernetzt ist. "Es war ein wirklicher Vorteil, dass ich selbst aus Dachau-Ost war, noch viel mehr als ich mir anfangs vorstellen konnte", erinnert sich die Sozialpädagogin. Allerdings bedeutete der Job völliges Neuland für sie. "Der Anfang war am schwierigsten", sagt sie denn auch, schließlich ging es um einen ganz anderen Arbeitsbereich als alles, was sie bisher gemacht hatte.

Mit einem großen Lob bedenkt sie in diesem Zusammenhang ihren Vorgänger, der die Soziale Stadt ins Laufen gebracht und in Dachau verankert hat: "Horst Willems hatte alle Grundstrukturen gelegt. Ich konnte voll übernehmen." Die Arbeitskreise, etwa für Verkehr, Grünflächen, Kultur oder Soziales waren bereits da, die konkreten Vorbereitungen für die einzelnen Projekte in vollem Gange. Von Nachteil für den erfolgreichen Einstieg dürfte auch nicht gewesen sein, dass ihr Mann, der Künstler Dieter Navratil, von Anfang an aktiv im Quartiersbeirat mitgearbeitet hat.

Da es sich bei dem Posten der Quartiersmanagerin um eine Teilzeitstelle handelt, betreute sie auch weiterhin im Bereich der Jugendhilfe im Landkreis alleinerziehende Mütter mit Kindern, darunter oft Migrantinnen, sowie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. "Durch diese Arbeit habe ich schnell einen Draht zu Leuten mit Migrationshintergrund gehabt", sagt die Mutter zweier Schulkinder. Und Menschen, die ihre Wurzeln nicht in Deutschland haben, gibt es viele in Dachau-Ost. Das ist etwas, das Endter-Navratil an ihrem Viertel ganz besonders schätzt: "Es ist ein Stadtteil, der bunt ist."

Heute fühlt sich das Quartier sicher noch bunter an als 2010, als das Förderprogramm gestartet wurde. Denn nicht nur Bauprojekte wurden im Zuge der Sozialen Stadt realisiert, auch kulturelle und soziale Aktivitäten wie Konzerte, Lesungen, Ausstellungen oder Stadtteilfeste belebten Dachau-Ost. Das größte und auch wichtigste Bauvorhaben war der Bürgertreff, der viele soziale Projekte erst ermöglicht hat. "Die sind halt an Räumlichkeiten gebunden", sagt Endter-Navratil.

Mittlerweile ist fast jeden Tag etwas geboten, vom Frauen-Café über Spieleabende bis zum gemeinsamen Kochen. Doch außer dem Trägerverein Bürgertreff e.V. und anderen Vereinen aus dem Viertel können auch Privatpersonen die großzügigen Räume nutzen. "Es gab schon Hochzeiten, Geburtstagsfeiern oder Kindergeburtstage", so die scheidende Quartiersmanagerin.

Daneben entstanden unter anderem zwei Spielplätze mit tatkräftiger Mithilfe der Bürger, es wurden Mietergärten angelegt, Bushaltestellen barrierefrei gemacht und mit Wartehäuschen ausgestattet, Ruhebänke im Quartier aufgestellt und Tempo 30 in der Würmstraße durchgesetzt. Vieles davon sind kleine, aber wichtige und von den Bürgern getragene Maßnahmen, wie Endter-Navratil betont, die sich besonders über das Projekt "Würmverführung" freut, eine naturnähere Umgestaltung des Flusses, dessen Ufer jetzt auch zugänglich sind. Dafür gebe es viel positives Feedback: "Da kommen Bürger vorbei und sagen, dass sie sich freuen, wenn sie dort entlanggehen."

Warum aber hört die Quartiersmanagerin auf, angesichts der Euphorie, die sie zeigt? Im vergangenen Herbst lief das Förderprogramm Soziale Stadt aus. Seither werden die Aktivitäten vom Verein Bürgertreff mit seinen etwa 60 Mitgliedern getragen. "Vorher war da ein roter Faden, ein Projekt hat das andere abgelöst", sagt Endter-Navratil. Jetzt habe der Verein eigene Projekte, in die er Zeit und Arbeit investiere. "Ich bin eigentlich raus und höre deswegen auf. Die wollen jetzt einfach ihre Geschichten machen." Und was will sie machen? "Die Arbeit bei der Jugendhilfe läuft weiter", betont sie. Daneben hat sie eine Teilzeitstelle bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) angetreten, in der sie sich um Asylsuchende und ehrenamtliche Helfer kümmern soll. Aus der Arbeit mit unbeglei-teten minderjährigen Flüchtlingen wisse sie, wo man sich Hilfe holen kann. Als Konkurrenz zur Caritas, die bisher die Sozialbetreuung für Geflüchtete im Landkreis trägt, sieht sie das neue Awo-Projekt nicht. Angesichts der enormen Aufgaben sei es vielmehr "eine Win-Win-Situation für alle, wenn noch jemand dazukommt".

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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