Rentner bedroht Polizistin:"Ich hatte Todesangst"

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Dramatische Szenen im Gerichtssaal: Eine Polizistin bricht in Tränen aus. Ein aggressiver Rentner hat die junge Frau bei einem Einsatz mit einer Axt bedroht.

Daniela Gorgs

Wenn eine Polizistin von einem Dutzend Kollegen in den Gerichtssaal begleitet wird, wo sie als Zeugin aussagen soll, muss es sich um eine krasse Anklage handeln. Besonders, wenn die junge Frau unvermittelt in Tränen ausbricht, als sie vor dem Amtsgericht Dachau im Zeugenstuhl berichten soll, was sie bei ihrem Einsatz im Hinterland erlebt hat.

Es war im April dieses Jahres, als die 27-Jährige mit ihrem Kollegen zu einem Familienstreit gerufen wurde. Ein 65-jähriger Rentner hatte seine Frau blutig geschlagen, woraufhin sie bei ihrem Nachbarn Unterschlupf suchte. Der Nachbar, ein Polizist, verständigte die Kollegen der Polizeiinspektion Dachau. Er selbst, so berichtet er vor Gericht, habe nicht zu dem Rentner gehen und ihn beruhigen wollen: "Unser Verhältnis ist nicht besonders gut." Er beschreibt den Nachbarn als "aggressiv".

Die Polizeistreife traf beim Nachbarn ein, vernahm die Frau, die Angst hatte, zu ihrem Mann zurückzukehren. Die Polizisten verständigten die Tochter, bei der die Frau ein paar Tage unterkommen sollte. Die Beamten klingelten bei dem Mann, um ihm dies mitzuteilen. Niemand antwortete. Nach einer Weile riss der Rentner die Tür auf und fing an zu schreien. Schimpfte über seine "irre" Frau, die ihm seit 40 Jahren auf die Nerven gehe. Die Polizistin berichtet, dass sie den Rentner in die Küche begleiteten. "Wir wollten ihn reden lassen. Ich dachte, er fährt dann runter." Stattdessen steigerte sich die Wut des Mannes. Was ihn auf die Palme gebracht hatte: Die Frau habe an diesem Tag zu wenig Gulasch gekocht.

Als die Polizistin dies vor Gericht erzählt, bricht sie erneut in Tränen aus. Fassungslos sagt sie leise: "Es ging nur um Gulasch." In der Küche informierte sie den Mann, dass seine Frau für ein paar Tage bei der Tochter bliebe. Die Polizistin erklärte ihm, dass nach dem Gewaltschutzgesetz eigentlich er, der Mann, hätte gehen müssen.

Voller Wut griff der Rentner zu Salz- und Pfefferstreuer, schimpfte über die deutsche Rechtsprechung, drohte den Polizisten Schläge an, drohte sogar, sich und seine Frau mit der Schrotflinte zu erschießen. Die Polizistin berichtet: "Plötzlich hat sich bei ihm ein Schalter umgelegt." Der Rentner rastete aus, lief durch den Garten in seinen Schuppen. Die Polizisten hinterher, aus Sorge, er könnte sich etwas antun. Im Schuppen schnappte sich der Mann eine Axt und drängte die Polizisten damit in einen Gang. "Wir waren in der Falle, eingepfercht, konnten nicht nebeneinander stehen", berichtet die 27-Jährige.

Immer wieder zieht sie ihr Taschentuch hervor und schneuzt sich. Der Mann stand mit der Axt, ausgestreckt über dem Kopf, einen Meter vor ihr. "Ich hatte Todesangst. Er hätte nur durchziehen müssen." Sie flehte ihn an, er solle sie gehen lassen, doch der Rentner blickte sie nur mit starren Augen an und wippte mit der Axt hin und her. Nach ein paar Minuten gelang es den Polizisten, sich langsam rückwärts aus dem Gang herauszubewegen, hinaus in den Garten. Sie riefen Verstärkung, der Rentner wurde kurzzeitig in die Psychiatrie eingewiesen.

Zwölf Beamte der Polizeiinspektion Dachau verfolgen die Verhandlung am gestrigen Montag. Unter ihnen der Pressesprecher der Polizei, Michael Richter. Er stenografiert mit, um eventuell Rückschlüsse für die künftige Arbeit zu ziehen. Dieser Familienstreit sei kein alltäglicher Einsatz gewesen, sagt er.

Genauso sieht es auch die Vorsitzende Richterin Petra Nolte. Sie spricht von einer "krassen Tat - wuchtig und brutal". Der Angeklagte habe seiner Frau mit dem völlig unnötigen Schlag auf den Kopf eine Platzwunde zugefügt und zudem eine Polizistin in Todesangst versetzt. Die 27-Jährige ist in psychologischer Behandlung. Nolte verurteilt den Mann wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, ohne Bewährung.

Gleiches hatte die Staatsanwältin gefordert. Die Axt-Attacke sei schon fast als versuchte Tötung zu werten. Der Angeklagte, der ohne Verteidiger erschienen war, ertrug das Urteil gefasst. Es schien, als habe er nicht verstanden, warum er schuldig gesprochen wurde. Während der Verhandlung hatte er immer wieder dazwischen geredet und sich gerechtfertigt. Die Frau habe ihn schikaniert. Da habe er die Fernbedienung gepackt und sie ihr über den Schädel geschlagen. "Sie sollte nicht immer das letzte Wort haben, sondern schweigen."

© SZ vom 29.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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