Prozess am Landgericht:Großvater gesteht Missbrauch

Lesezeit: 2 min

Der Rentner verging sich 65 Mal an seinem damals 13-jährigen Enkel

Von Andreas Salch, Dachau/München

Ein 57-jähriger Rentner hat vor dem Landgericht München II insgesamt 65 sexuelle Übergriffe auf seinen Enkel gestanden. Die Taten geschahen in der Zeit zwischen April 2012 und November 2013, als der Rentner noch in Dachau wohnte. Für den Fall eines vollumfassenden Geständnisses hatten die Richter der 1. Jugendstrafkammer dem Mann eine Haftstrafe zwischen dreieinhalb und höchstens vier Jahren in Aussicht gestellt. Der 57-Jährige schloss zudem einen Täter-Opfer-Ausgleich und übergab der Anwältin seines Enkels 4000 Euro in bar.

Über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Michael Novak, gab der Rentner eine Erklärung ab. Die Vorwürfe aus der Anklage "entsprechen grundsätzlich der Wahrheit", heißt es darin. Allerdings wisse er nicht mehr, wie oft genau er sich an seinem Enkel vergangen habe, so der 57-Jährige. Zum Zeitpunkt des ersten sexuellen Übergriffs war der Bub 13 Jahre alt. "Die Taten tun mir außerordentlich leid", schreibt der Rentner in der Erklärung. Ihm sei inzwischen bewusst, dass er therapeutische Hilfe benötige. Außerdem übergab der Anwalt des 57-Jährigen einen Brief, den dieser an seinen inzwischen 18 Jahre alten Enkel geschrieben hat. Darin bekennt sich der Angeklagte zu seiner Schuld und teilt seinem Enkel mit, dass er wisse, dass das "begangene Unrecht nicht mit der Zahlung von 4000 Euro ausgeglichen werden kann".

Zu den sexuellen Übergriffen kam es jeweils an Wochenenden. Diese verbrachte der Enkel von April 2012 an bis November 2013 regelmäßig bei seinem Großvater. Der 57-Jährige war bis 1985 verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Zu ihnen habe er keinen Kontakt mehr, sagte der Angeklagte bei seiner Vernehmung. Auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Regina Holstein, wieso der Bub so häufig bei ihm gewesen sei, antwortete der Rentner nur: "Erziehungsprobleme." Dass er dem Kind Unrecht tue, wenn er sich an ihm vergeht, habe er sich vorher "nicht klar gemacht". Weitere Angaben zu den Taten aus der Anklage machte der 57-Jährige nicht.

Der Betrag in Höhe von 4000 Euro, den er seinem Enkel im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs gezahlt hat, stammt nicht von ihm, sondern von seiner Vermieterin. Der 57-Jährige lebt im Haus der Frau im westlichen Landkreis Dachau. Zuletzt arbeitete er als Busfahrer. Seit einem Schlaganfall im Jahr 2011 ist er Frührentner. Außerdem leidet der Mann unter Bluthochdruck sowie an einer Herz- und an einer Lungenerkrankung. Den schlechten gesundheitlichen Zustand berücksichtigte das Gericht bei der zu erwartenden Strafe zugunsten des 57-Jährigen.

Erst im Juni dieses Jahres verurteilte das Amtsgericht Dachau den Rentner wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften. Fragen der Vorsitzenden Richterin hierzu wollte der 57-Jährige nicht beantworten. Zum Prozessauftakt am Dienstag war der Rentner nicht erschienen. Das Gericht hatte daraufhin einen Haftbefehl erlassen und ihn am Mittwochmorgen mit einem Rettungswagen ins Strafjustizzentrum München bringen lassen. Am Dienstagmorgen war der Angeklagte wegen extrem hohen Bluthochdrucks ins Klinikum Dachau gebracht worden. Ein ärztlicher Sachverständiger hegte daraufhin den Verdacht, dass sich der Rentner Medikamente verabreicht haben könnte, die ihn verhandlungsunfähig machten. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: