Proteste am Krankenhaus:Noch immer zu wenige Pflegekräfte

Lesezeit: 3 min

Mitarbeiter des Helios-Amper-Klinikums machen erneut auf ihre enorme Arbeitsbelastung aufmerksam. Viele kündigen, Auszubildende brechen ihre Lehre ab. Die Gewerkschaft verhandelt von Mittwoch an weiter

Von Christiane Bracht, Dachau

Die Unzufriedenheit wächst im Helios-Amper-Klinikum Dachau. Die meisten langjährigen Mitarbeiter haben bereits gekündigt, berichten Betriebsräte, Schwestern und Gewerkschaft. Ihnen waren Druck und Arbeitsbelastung auf den Stationen zu hoch, ihre Gesundheit zu wichtig. Die, die noch da sind, hegen die Hoffnung, dass sich bald etwas ändert an der Arbeitssituation auf den Stationen. Den "Tag der Pflege" am Samstag haben sie zum Anlass genommen, erneut auf ihre hohe Belastung aufmerksam zu machen. Am Montag formiert sich ein kleiner Protest vor dem Klinikeingang. "Ich habe ungefähr 300 Überstunden", sagt eine 57-jährige Krankenschwester, die erst kommt, als sich die Versammlung fast aufgelöst hat. "Ich konnte nicht eher, ich hatte noch so viel zu tun", entschuldigt sie sich. Etwa 15 Krankenschwestern und Verwaltungsmitarbeiter sind dem Aufruf von Betriebsrat und Gewerkschaft gefolgt und stehen mit Plakaten vor der Klinik. "Gesundheit braucht genug Personal", steht darauf. Oder: "Mehr von uns ist besser für alle".

Angestellte protestieren am Montag vor dem Eingang des Helios-Amper-Klinikums Dachau. Manche kommen erst zum Schluss, weil sie nicht eher von der Arbeit wegkonnten, andere schaffen es gar nicht. Überstunden häufen sich. Einige Stationen sind nur zur Hälfte besetzt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit Monaten kämpfen sie für mehr Kollegen und ein verlässliches Konzept, das im Fall von Krankheiten greift und die Schwestern und Pfleger auf den Stationen unterstützt. Doch bislang vergebens. Trotz Streiks und anderer Aktionen zeichnet sich noch keine durchgreifende Verbesserung ab. "Das ist frustrierend", sagen sie. "Die Situation wird immer schlimmer."

"Die Planstellen werden nicht mehr besetzt und die Ausfallzeiten werden auch mehr, denn viele sind so gefordert und an der Grenze ihrer Belastbarkeit, dass sie öfter und länger krank sind", sagt Christine Merkl. Die 54-Jährige ist Krankenschwester in der Kardiologie. Seit 36 Jahren arbeitet sie schon in ihrem Beruf. "Vieles hat sich sehr verändert. Es war ein schleichender Prozess, aber in den vergangenen drei bis fünf Jahren ist der Druck immer größer geworden." Das bekämen auch die Patienten zu spüren. Für Gespräche mit ihnen bleibe keine Zeit mehr. Dabei sei es doch wichtig, mit ihnen über ihre Ängste und Sorgen zu reden oder gar eine Sterbebegleitung zu machen. "Manchmal sind wir wegen Krankheit nur zu zweit auf der Station", erzählt Barbara Koller. Dann müssten die Patienten warten, wenn sie klingeln. Der neue Betriebsratsvorsitzende Martin Tobies erklärt: "Wenn die Besetzung zu knapp ist, müssen wir eine Gefährdungsanzeige machen. Das ist Recht und Pflicht eines jeden Mitarbeiters." Wie oft Anzeige erstattet wird, sagt er nicht. Aber dass es keine Seltenheit ist, darüber lässt er keinen Zweifel: "Das gibt's überall."

"Wenn die Besetzung zu knapp ist, müssen wir Gefährdungsanzeige machen. Das gibt's überall", sagt Martin Tobies. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Fast alle Schwestern berichten darüber, dass auf ihren Stationen Betten gesperrt sind. Für viele ist dies schon ein Zeichen der Geschäftsleitung, die damit signalisiere, dass sie die Klagen der Pfleger und Schwestern ernst nimmt. "Wir sehen ein, dass die Situation sich nicht von heute auf morgen lösen lässt", sagt eine Schwester von Intensivstation. "Sie können kein Personal herzaubern." Christine Merkl von der Kardiologie fordert: "Wir wünschen uns mehr Unterstützung von außen und von der Politik."

"Viele Azubis schaffen die Prüfung nicht, weil sie zu eingespannt sind", sagt Betriebsrätin Gerti Celik. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie viele Betten insgesamt momentan gesperrt sind, weiß keiner so genau, auch nicht, wie viele Pflegekräfte fehlen. Die Gewerkschaft spricht von mehr als 100. Der Betriebsrat sammelt derzeit noch Daten, aber es zeichnet sich wohl ab, dass die Schätzung von Verdi einigermaßen stimmt. "Auf einigen Stationen fehlen fast 50 Prozent", weiß der Verdi-Gewerkschaftssekretär Christian Reischl. Am schlimmsten ist es seinen Informationen nach auf der Chirurgie und bei der Patientenbegleitung. Eine Schwester von der Intensivstation sagt spontan: "Bei uns fehlen zehn, mit Sicherheit. Wir bräuchten eine vernünftige Bezahlung und Zeit, um uns um den Nachwuchs zu kümmern." Denn viele Auszubildende brechen ab oder kehren nach ihrem Abschluss der Pflege den Rücken kehren - zumindest im Großraum München. Oft sind die hohen Mieten und Lebenshaltungskosten der Grund dafür. Aber Gerti Celik, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, weiß auch: "25 bis 30 Prozent schaffen die Prüfung nicht, weil sie so eingespannt sind". Die Münchner Kliniken tun viel mehr für den Nachwuchs, sagt Celik und verweist auf den schlechten Zustand des Schülerwohnheims in Dachau.

Am Mittwoch wird erneut über die Beitrittsvereinbarung zum Kommunalen Arbeitgeberverband verhandelt. "Die Vorlage ist gut, aber ich vermisse Vorschläge zur Entlastung des Personals", sagt Reischl.

© SZ vom 15.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: