Programm Saumensch:Die Fleischeslust

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Nepo Fitz sollte eigentlich im Isarwinkel auftreten, doch nun muss die Veranstalterin die Absage verkünden. Bereits gekaufte Karten werden erstattet. (Foto: Toni Heigl)

Kabarettist Nepo Fitz zeigt seine animalische Seite

Von Felix Wendler, Schwabhausen

"Das Böse liegt im Fanatismus, im Fatalismus und in der Volksmusik." Der Kabarettist Nepo Fitz teilt kräftig aus - nicht nur gegen zombiehafte Schunkelrentner im ZDF-Fernsehgarten. Bei seinem Auftritt im Gasthof zur Post in Schwabhausen verschont der 36-Jährige weder Andrea Berg noch Philipp Poisel - und macht auch vor sonst niemandem Halt.

Das Animalische dominiert den Abend. Nicht ohne Grund hat Fitz seiner Tour den Namen "Saumensch" gegeben. So bewegt man sich in ambivalenter Konsequenz zwischen Tier und Mensch, zwischen Gut und Böse, zwischen Moral und Scheinheiligkeit. "Bevor wir bessere Menschen werden können, müssen wir erst mal das wilde Tier in uns entdecken", verkündet Fitz - und setzt sich eine Schweinkopfmaske auf. Die Maske fällt wieder - zumindest die äußere. Das innere Tier hingegen ist während des gesamten Abends auf der Bühne präsent. Fitz ist laut, teils sehr laut, lässt mit kraftvoller Mimik und Gestik immer wieder das Animalische durchblicken.

Der moderne Fitz zieht über Dating-Apps her und persifliert überzogene Ansprüche. "Ich möchte meinen Marktwert testen", ahmt er im affektierten Tonfall nach. "Flohmarkt", antwortet Fitz konsequent. Nicht alle Witze zünden. Männer, die mit den Einkaufslisten ihrer Frauen überfordert sind, erscheinen humoristisch etwas überstrapaziert. Grundsätzlich aber ist Fitz eher selten auf billige Lacher aus. Nepo Fitz sucht die kleinen Rebellen im großen Kampf der Moralisten, stilisiert den unfair gehandelten, umweltschädlichen Bröselkaffee zur letzten Bastion des Widerstands und widmet ihm eines seiner selbst komponierten Lieder. "Des interessiert mi ned, i hob mei Bröselkaffee", rockt Fitz mit der Gitarre in der Hand. "What about sunrise?", singt er im weichgespülten Gegenpart. "Haben ja grundsätzlich Recht die Aktivisten, sind halt keine Sympathieträger. Im alten Rom hat man den Überbringer der schlechten Nachrichten umgebracht..." Und ob wirklich alle Tiere schützenswert sind? Mitnichten. Niemand braucht Nacktschnecken oder Ratten, die Fitz im korrekten Neudeutsch als "Nagetiere mit Kanalisationshintergrund" bezeichnet. Fitz bewegt sich immer wieder nah an der Scheinheiligkeit aktueller gesellschaftlicher Debatten. "Massentierhaltung? Nie, nie wieder...schau ich mir so eine Doku an."

Die Vielseitigkeit lässt über ein paar wenige Kalauer hinwegsehen. So tanzt Fitz zu spanischen Gesängen und erteilt in Tracht als Coach für Liebesangelegenheiten Ratschläge. Seine Themen variieren, ohne die konsequente Linie aus den Augen zu verlieren. Es geht um Online-Shopping und Produktempfehlungen - und nicht zuletzt darum "welche Wohnzimmereinrichtung meine Persönlichkeit definiert". Hier siegt der Mensch über das Tier. Menschlich ist vor allem der Wunsch nach Anerkennung, sagt Fitz. Das gilt auch für die sogenannten Reichsbürger, "das Einsatzkommando der AfD". Ihre "Sehnsucht nach Märchen" kann man nicht mit der Sporttasche befriedigen, die es an der Tankstelle für die Sammelpunkte gibt. "Bisschen wieder einbinden ins Leben", fordert Fitz.

Den Zeigefinger hebt er selten. Ein Vortrag über die Wegwerfgesellschaft verleitet quasi dazu, also rappt er ihn auf einen 50 Cent Beat. Dann zeigt sich auch der ruhige Fitz, der Lizenzvereinbarungen vorliest. Was für eine komplexe Welt, in der wir leben! "Früher gab's drei, vier Tageszeitungen. Die hab ich nicht gelesen und dann den Wirt gefragt." Demgegenüber heute: Verschwörungstheoretiker, die in Internetvideos Angela Merkel als Reptiloiden enttarnen. Big Data und Gesichtserkennung; der ewige Kampf zwischen Freiheit und Sicherheit, Bequemlichkeit und Privatsphäre. "Ich weiß was du letzten Sommer getan hast", ist nicht mehr nur der Titel eines Films, sondern auch der Zustand des Browserverlaufs. Der Zuschauer, so scheint es, erkennt den Saumenschen in sich wieder - Pornokonsum möchte dann aber doch keiner eingestehen.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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