Premiere in Bergkirchen:Szenen einer Ehe

Lesezeit: 2 min

Christina Schäfer und Ansgar Wilk ziehen alle Register. (Foto: Ulrike Beckers/oh)

Das neue Stück des Hoftheaters: ein amüsantes Beziehungsdrama

Von Renate Zauscher, Bergkirchen

Eine Lüge, die sich als bester Kitt für die Ehe erwiesen hat oder auch die Erkenntnis, dass Altwerden zum Leben dazu gehört: In der französischen Komödie "Anderthalb Stunden zu spät" von Gérald Sibleyras und Jean Dell hat das Ehepaar Laurence und Pierre einige schockierende Wahrheiten zu verkraften. Am Freitag hatte das Stück im Hoftheater Premiere, an einem Sommerabend, der atmosphärisch wunderbar zu dem - auf den ersten Blick zumindest - leichten Stoff passte.

Eine Beziehung, die urplötzlich, ohne Vorwarnung, auf dem Prüfstand steht: Das Thema ist nicht wirklich neu. Das Autorenpaar Sibleyras/Dell hat es jedoch nicht wie andere vor ihnen düster dramatisiert, sondern durchaus auch seine amüsanten Seiten gesehen. Schon die Eingangsszene dürfte manchem Paar bekannt vorkommen. Da ist der Ehemann, gespielt von Ansgar Wilk, der auf pünktlichen Aufbruch zur Dinner-Einladung beim Geschäftsfreund drängt, und seine Frau (Christina Schäfer), die malend in ihrem Atelier steht und glaubt, noch alle Zeit der Welt zu haben. Was scheinbar harmlos beginnt, wird zur Bilanzierung all dessen, was das gemeinsame Leben bislang ausgemacht hat - und was künftig, vor dem endgültigen Großmutterdasein ihrerseits und dem Herzinfarkt seinerseits, noch daraus werden könnte. "Ohne Kinder bin ich überflüssig, ich fühle mich 20 Jahre älter, ich habe Angst", gesteht Laurence ihrem Mann, der die Dinge jedoch viel lockerer sieht und seiner Frau klar machen will, dass das Leben für sie jetzt eigentlich erst richtig anfange.

Eine Frau, die reden will, jetzt, sofort, und ein Mann, der darauf überhaupt nicht vorbereitet ist und statt dessen die praktischen Dinge des Lebens im Blick hat: ein Klischee, mit dem das Autorenpaar zwar spielt, das hier aber mit Witz und viel Empathie für beide Seiten, die männliche wie die weibliche, untersucht wird.

Dass der Spannungsbogen bis zum Ende gehalten werden kann, liegt zum einen an der Regie von Herbert Müller, der mit höchst einfallsreichen Details der Inszenierung bis hin zur Einführung einer dritten, im Text eigentlich nicht vorgesehenen Figur immer wieder für besondere Akzente sorgt. So lässt Müller Tobias Zeitz in wallendem Römerhemd und komischer, an Rodin erinnernder Denkerpose als stummes Modell der malenden Laurence auftreten. Vor allem aber liegt es an den beiden Hauptakteuren Christina Schäfer und Ansgar Wilk, die in ihren Rollen außerordentlich glaubhaft wirken und sie bis in kleinste Gesten lebendig gestalten. Hier können die Zuschauer sehr nah und intim erleben, was es heißt, Schauspieler zu sein: wechselnde Emotionen nicht nur über die Sprache sondern vor allem auch über Mimik und Bewegung sichtbar zu machen.

Und natürlich hat auch Ulrike Beckers, die für Bühnenbild und Kostüme am Hoftheater zuständig ist, wesentlich zur gelungenen Umsetzung der Textvorlage beigetragen. Mit Geschmack, sicherem Gespür und viel Witz sorgt sie für den optischen Rahmen, der dem Charakter des zwischen feiner Ironie und Ernsthaftigkeit oszillierenden Stücks entspricht.

Beckers hat Pierre mit feinem Anzug, Weste und passender Krawatte in den seriösen Anwalt verwandelt, der überzeugt ist, dass die Welt nur nach den Regeln bürgerlichen Anstands funktionieren kann. Laurence dagegen demonstriert mit spitzenbesetztem Hemdchen unterm Malerkittel ihr ganz anderes Selbstverständnis: Sie will sowohl als begehrenswerte Frau wie auch als emanzipierte Künstlerin wahrgenommen werden. Die Komödie mit Witz und gleichzeitig ernsthaftem Anspruch steht noch zweimal auf dem Spielplan, am Freitag, 16. Juni, und am Samstag, 24. Juni; sie wird dann auch in die nächste Spielzeit übernommen.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: