Poetischer Herbst:Zwölf-Gänge-Menü und Diätenwahn

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Wilma Pfeiffer und Walter Stelzle plaudern im Rahmen des poetischen Herbsts über die kulinarischen Vorlieben bei Hofe. (Foto: Niels P. Joergensen)

Walter Stelzle und Wilma Pfeiffer erzählen sehr kurzweilig über die Essgewohnheiten von Sisi und Ludwig II.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Geht es um Ludwig II. und seine Cousine Sisi, dann wabert und wogt es auch heute noch heftig in der Gerüchteküche. Denn schon zu Lebzeiten bastelten sowohl der bayerische Märchenkönig ("Ein ewig Rätsel will ich sein") und die österreichische Kaiserin heftig an ihrem Mythos. Wo aber lässt es sich besser ratschen als an einem Ort, an dem schon rein bestimmungsgemäß Rauch und Feuer eine wichtige Rolle spielen? In einer Küche natürlich, aber in einer, die das passende Ambiente für Plaudereien über royale, respektive imperiale Exzentrik liefert. So ein Ort ist die ehemalige Küche in Schloss Lauterbach mit ihrem imposanten Stützpfeiler und der beeindruckenden Deckenkonstruktion. Am vergangenen Mittwoch war sie Schauplatz der dritten Veranstaltung des diesjährigen Poetischen Herbstes mit dem vielversprechenden Titel "Ludwigs Lust und Sisis Sünd".

Es traten auf: Das Erzählduo Wilma Pfeiffer und Walter (Muck) Stelzle sowie das Jazzduo Matandi. Matthias Keller und Andreas Kandler verfeinerten mit ihren Versionen von "Donauwalzer", Radetzkymarsch und Jazz-Standards die bekannten und unbekannten Geschichten über Gerichte und Gerüchte in Sachen Ludwig und Sisi. Denn die Oberösterreicherin Pfeiffer und der bekennende Altbayer und Stelzle erwiesen sich für die rund fünfzig Zuhörer schnell als kenntnisreiche Biographen.

Ihr Thema, Essen und Trinken am Königs- respektive Kaiserhof, geriet dabei ab und an etwas aus dem Blickfeld. Das machte aber nichts, denn was die zwei so zu berichten wussten, hatte schon zu Sisis und Ludwigs Lebzeiten für Gesprächsstoff am Küchentisch und für Skandale im Salon gesorgt. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass die österreichische Kaiserin auch am Wiener Hof - eingezwängt in ihr auf Taille geschnürtes Korsett und das unsichtbare des spanischen Hofzeremoniells - nicht auf ihr geliebtes Bier verzichten wollte. Das gehörte für die geradezu krankhaft auf ihre äußere Erscheinung bedachte Elisabeth unabdingbar zu jeder Mahlzeit dazu.

Ihre unfassbaren fünfzig Zentimeter geschnürter Taillenumfang - von Wilma Pfeiffer mittels eines roten Bandes demonstriert - erhielt sie sich nur durch strenge Diäten und Hochleistungssport. Den betrieb sie so exzessiv, dass ihre Hofdamen des Öfteren auf halber Strecke ausgetauscht werden mussten.

Wichtiger Bestandteil der Sisi-Diät war Kuhmilch - weshalb sich auf ihrer ersten Reise nach Korfu auch eine Kuh im Gefolge befand. "Wenn's der Kuh gut ging, ging es auch der Kaiserin gut", soll eine Hofdame gesagt haben. Dass es von Sisi keine Gemälde und Fotos gibt, die sie "als Oma von 60 Jahren" zeigen, ist zwar nur eine Kuriosität aus dem Leben der rastlosen Kaiserin. Doch sie wirft ein bezeichnendes Licht auf die Frau, die die schönste der Welt sein wollte - und nach der sich sogar der Schah von Persien verzehrt haben soll, wenn man Wilma Pfeiffers Histörchen glauben darf.

Der Schah, der übrigens auf den Namen Našir-ed-Din hörte, war zur Weltausstellung 1873 nach Wien gekommen und keineswegs der unkultivierte Barbar, als den ihn die damalige Yellow Press so gerne darstellte.

Ebenso wenig war Ludwig II. der eindimensionale Träumer, als der er bisweilen immer noch charakterisiert wird. Vom bekennenden Technikfreak Ludwig hätte auch eine Erfindung stammen können, die auf Sisis Eheleben gewaltige Auswirkungen hatte. Die Kaiserin pflegte sich nämlich nächstens rohe Rindfleischscheiben aufs Gesicht zu legen, den Hals mit einem Rosenwasser-getränkten Tuch zu umwickeln und sich ein feuchtes Laken um die - bei ihrem Selbstoptimierungswahn womöglich kaum zu identifizierende - Hüftpartie zu legen. Das soll angeblich ihren kaiserlichen Gemahl Franz Josef bei einem unangemeldeten Besuch in Sisis Schlafzimmer so erschreckt haben, dass er eine elektrische Klingel zwecks Ankündigung künftiger Heimsuchungen installieren ließ.

Im Gegensatz zu seiner Cousine war der in seiner Jugend so schöne Ludwig - der sich sogar ein eigenes Parfum namens Chypre kreieren ließ - kein Verfechter strenger Diäten, hielt aber seinen Hof ebenso auf Trab wie seine anspruchsvolle Cousine. Was in beiden Fällen für das Personal einen erheblichen Aufwand und Dauerstress bedeutete. Sie waren schließlich gezwungen, bei des Königs irrlichternden Rasereien zu seinen diversen Domizilen immer vor ihm am Ort des Geschehens zu sein - auf dass die Majestät bei ihrer Ankunft ein warmes Bad sowie mindestens ein Zwölf-Gänge-Menü vorfinden konnte. Letzteres konnte Ludwig bekanntlich ob seiner schlechten Zähne nur partiell genießen, ließ sich demzufolge Fleisch in Hascheeform servieren.

Für Historiker Stelzle, der so gar nichts Professorales an sich hatte, ist das mit ein Grund, warum der "Kini" am liebsten ohne Gesellschaft speiste. Zudem, so erzählte er, ging Ludwig nicht gerade freundlich mit seinen Angestellten um. Er traktierte und verspottete sie gerne.

Das wäre eine gute Gelegenheit für einen Perspektivwechsel gewesen. Wie war das damals für die Wasserträger, Küchenmamsells, Hoffriseure, Reisemarschalls, wenn sich der halbe Haushalt nur wegen einer royalen Laune in Bewegung setzen musste? Das hätte diesen unterhaltsam-informativen Abend in der Schlossküche zur wahren Delikatesse gemacht. Und es hätte einen neuen Blick auf Ludwigs Lust und Sisis Sünd ermöglicht.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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