"Poetischer Herbst" in Altomünster:Fruchtzwerge im Bauch

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Axel Hacke auf dem roten Sofa im ausverkauften Kapplersaal. (Foto: Toni Heigl)

SZ-Kolumnist Axel Hacke amüsiert mit köstlichen Betrachtungen, die über den Tellerrand hinausgehen

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

"Feinstaubig-tanninig, vibrierend tabakig am Gaumen, rotebetig irgendwie auch, wachsig-mineralig, irgendwie jovial und doch sexy, ein Geschmack wie schwarzer Chiffon". Nein, wir befinden uns nicht in einer Edelstahlküche und verkosten bar jeder Fachkenntnis önologische Spitzenerzeugnisse. Wir befinden uns vielmehr in "einem der drei, vier schönsten Säle, die ich kenne", dem Kapplerbräu-Saal in Altomünster. Denn "Axel Hacke liest". So lautet die schlichte Ankündigung im Programm des "Poetischen Herbstes", den Landratsamt und Dachauer Forum gerade im Landkreis veranstalten. Mehr braucht es nicht, um den Kapplerbräu-Saal bis auf den letzten Platz zu füllen. Schließlich hat der SZ-Magazin-Kolumnist ("Ich schreibe in meinem Leben jetzt länger Kolumnen als ich nicht Kolumnen geschrieben habe") seit Jahrzehnten unzählige begeisterte Leser, die Freitag für Freitag auf seine vergnüglichen Betrachtungen des Alltags- und Weltgeschehens warten. Wozu eben auch die schon seit einiger Zeit grassierende Pseudo-Professionalisierung einstmals spontaner Essenseinladungen zählt. Da erweist sich Hacke als echte Alternative zu Loriots legendärem Weinvertreter Blümel, der Frau Hoppenstedt mit "Klöbener Krötenpfuhl" beglücken will.

Frau Hoppenstedts Sohn heißt Dicki, der von Hacke hört auf den weniger diffamierenden Namen Luis. Eine Geschichte, die sich um Luis rankt - und wohlgemerkt bereits 2001 erschienen ist - dreht sich um Wurst als Ersatzdroge für Luis genervten Vater und um dessen Kontrahenten, den bekennend ökologisch korrekt und fleischlos lebenden "Wurstwart mit Kommissarblick" Jörg. Davon abgesehen, dass die Geschichte sich heute noch so oder so ähnlich abspielen könnte, ist sie für Hacke Auslöser für feinsinnige Betrachtungen über Seitan-, Soja- und Süßlupinenderivate in Fleischform und für hinreißende Spötteleien ob diverser Auswüchse trendiger Ernährungsgewohnheiten ("Vielleicht wird ja ein alter Traum noch wahr, dass Teewurst wirklich aus Tee gemacht wird."). Das ist urkomisch, aber nie verletzend. Letzteres verbietet Hacke wohl der Anstand.

Über diese "vielleicht verstaubt und antiquiert" daherkommende Tugend hat er ein Buch geschrieben. Das zieht er aus dem Riesenstapel seiner Publikationen, der sich auf dem Tisch neben seinem roten Sessel türmt ("Es gibt auch noch Sachen, die rot sind"). Hacke lässt bei den schon fast philosophischen Betrachtungen über "Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, Sinn für Gerechtigkeit und einem Gefühl für Solidarität" alle Leichtigkeit fahren. Es ist förmlich greifbar, wie wichtig ihm dieses Thema in Zeiten von Shitstorms und Fake News ist.

Eigentlich schade, dass das nur eine Art Zwischengericht dieses literarischen Menüs ist, denn Hacke ist kein Moralapostel. Er stellt vielmehr die Fragen, die so viele umtreiben, verzichtet auf verbale Ausfälle in Sachen Tagesgeschehen, aber glücklicherweise nicht auf kleine Sticheleien. Das steigert den Genussfaktor erheblich. Dieser erreicht so ungefähr die Höchstskala, als Hacke sich mit geradezu diebischem Vergnügen den Möglichkeiten sprachlicher Gestaltung widmet. Deren schönste Ausprägungen hat er - auch mit Hilfe seiner Leser - auf Speisekarten in beliebten Ferienregionen und in den Hörfehlern geschuldeten Wirrungen deutscher Schlagertexte gefunden. So lernt der sich in Lachkrämpfen windende Zuhörer, wie aus dem profanen "Onion Ring" dank der undurchschaubaren Algorithmen computerbasierter Übersetzungsprogramme ein "Zwiebel ruft an" werden kann oder wie die "Assiette pêcheur", der profane Fischteller, in einem französischen Lokal eine wundersame Wandlung zum "Sockel der Sünderin" erfährt. Als Dessert empfehlen sich Herbert Grönemeyers "Fruchtzwerge in meinem Bauch". Die waren im Original ursprünglich "Flugzeuge in meinem Bauch". Aber wen interessiert das schon, angesichts dieser Abenteuerreise durchs sprachlich-kulinarische Wunderland des Axel Hacke?

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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