Plahl-Retrospektive:Reisebilder und Refugien

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Der Maler Herbert Felix Plahl ist nun im 71. Lebensjahr. Eine Retrospektive zu seinen Ehren im Sparkassenfoyer umfasst also nicht zufällig 71 Werke. Sichtbar wird die Entwicklung von 30 Jahren.

Von Bärbel Schäfer

Unvermittelt steht der Betrachter in der blauen Leichtigkeit des Himmels. Kosmische Tiefen öffnen sich in gestaffelten Feldern aus blauen und grünen Tönen. Sie fächern sich immer wieder aufs Neue auf und ziehen den Betrachter hinein in die magische Welt. Schmale rote Elemente sind strahlende Inseln in der blauen Ruhe. Das Bild "Die Auflösung der Zeit" von 2013 steht am Anfang der Ausstellung mit 71 Arbeiten von Herbert Felix Plahl in der Hauptstelle der Sparkasse Dachau. Es ist eine von vielen Wegmarken des Künstlers und steht zugleich exemplarisch für all die anderen großformatigen Acrylbilder aus drei Jahrzehnten, weil es einerseits die filigrane Vielschichtigkeit von Reiseeindrücken in sich birgt und andererseits auf die Flächigkeit der Figurenbilder der achtziger Jahre zurückverweist.

Die Retrospektive mit Arbeiten von 1980 bis heute ist nicht nur eine Überschau über H.F. Plahls viele Reisen, die ihn inspiriert haben. Sie ermöglicht auch eine Zusammenfassung und Bewertung seiner Entwicklung, von der konturierten Figurenmalerei zu den lebhaft pulsierenden Erinnerungen an fremde Länder und Kulturen. Sie münden in die jüngsten malerischen Formulierungen reinster, schwebender Empfindung und in kraftvolle Landschaften mit akzentuierten Details. Diese zeigen eine neue Entwicklung und bedeuten zugleich eine Rückkehr zur Flächigkeit und betonen den Eigenwert der Farbe.

Der Künstler hat seine Retrospektive nach ästhetischen Gesichtspunkten aufgebaut, die auch die Erfahrung des Malers widerspiegeln. Die Ausstellung blättert sich nicht chronologisch auf, der Besucher soll sie in einem sinnlichen Erleben erobern. In kleinen, aus Stellwänden angeordneten Kabinetten öffnet sich auf diese Weise jedesmal ein neuer Kosmos, der nicht nur nach Harmonie strebt, sondern auch aus Brüchen und Gegensätzen bestehen kann. Etwa wenn frühe Figurenbilder aus den achtziger Jahren den jüngsten, großformatigen Bildtafeln gegenüber stehen. "Ich möchte zeigen, dass die früheren Bilder genauso stark sind und neben den neuen Bestand haben", erklärt der Künstler.

Die Ausstellung beginnt mit Arbeiten aus den achtziger Jahren, weil diese einen ersten, wichtigen Wendepunkt in Plahls Malerei markieren. Die Formen lösen sich vom Gegenstand, der Bildraumaufbau ist klar, die Farbigkeit kräftig und der Stil flächig und holzschnittartig. Ein expressiver, selbstbewusster und unverkennbarer Ausdruck, der innerhalb von drei Jahrzehnten abstrakter und weicher wird. Gleichzeitig beschäftigt sich H.F. Plahl intensiv mit Geschichte und antiker Mythologie. "Königin Hatschepsut", der altägyptischen Herrscherin gewidmet, aus dem Jahr 1982 ist ein Schlüsselbild. Die Farben sind symbolbeladen, alles ist auf einer Ebene angeordnet. Dunkle Linien begrenzen die Figur der Herrscherin und die Gegenstände in der Landschaft. Die Figur des Dieners in sattem Rot, die Königin hervorstechend in leuchtendem Gelb. Die Landschaft tritt in dunkleren Farben ruhig zurück. In den Seitenflächen umschließt ein helles Grau elegant die Szene im Sinne von Säulen.

"African Dawn" aus dem Jahr 1989 kann als ein weiterer Schritt der Befreiung gesehen werden. In seiner filigranen Verwobenheit führt es zu den expressiven und poetischen Weltbildern, die nach Reisen in ferne Länder entstehen. H.F. Plahl bereiste seit 1992 den Jemen, China, Indien, Marokko und Sri Lanka. China insgesamt vier Mal, Indien drei Mal. Das Ergebnis ist eine authentische Malerei, die keine fotografischen Eindrücke wiedergibt, sondern die Bildhaftigkeit und Imagination dieser Länder, mit all ihren Farben, Gerüchen und Tönen. Diese prismenartig angelegten Bildwelten sind von einer bestechenden Farbigkeit. Es gibt viel zu entdecken, denn immer wieder ergeben sich zweite und dritte Bildebenen mit Fußnoten, Nebengeschichten, aber auch Irrwegen und Rätseln - ein weiterer Aufbruch, wie Norbert Göttler im Ausstellungsprospekt analysiert.

Die Bilder sind ein Kaleidoskop an Motiven und Assoziationen. Die Farbakkorde fügen sich wie eine Sinfonie zum Ganzen und es entsteht ein räumliches Gitterwerk aus Fläche und Farben. Mosaikartige Formen verzahnen sich und atmen Stille oder Lärm, Formenreichtum oder Schlichtheit, grelles Licht oder gedämpfte Töne. Poetische Titel wie "Land voller Geheimnisse" oder "Widerhall der Seele" regen die Fantasie des Betrachters an.

Neben diesen vibrierenden Texturen stehen Figurenbilder, beispielsweise "Lot und seine Töchter" aus dem Jahr 2000, mit statuarisch aufgefassten Figuren voller Zeitlosigkeit. In den jüngsten Bildern zeigt sich erneut eine Veränderung. H.F. Plahl kehrt wieder zur Flächigkeit zurück. "Palace of Secret", 2013 entstanden, führt den Betrachter hinaus in die orientalische Nacht, die von einem riesigen, seltsam zersprungenen Vollmond illuminiert wird. Im unteren Drittel des Bildes spielt sich die Unruhe der nächtlichen Stadt mit rätselhaften Figuren, Händen und Schatten ab. Rätselhafte Zeichen für eine rätselhafte Welt. Das anfangs erwähnte Bild "Auflösung der Zeit" ist die Klammer dazu.

Ein weiterer, wichtiger Aspekt in H.F. Plahls Oeuvre sind die Aquarelle und Collagen. Mit zarten Prägungen und Reliefs, oft neu komponiert aus Teilen älterer Arbeiten, sind diese Arbeiten aus Papier von bestechender Mitteilsamkeit. Hier kommt ungebändigte Poesie zum Ausdruck. In ruhevollen Kompositionen und einer erlesenen, weich konturierten Farbigkeit teilt der Künstler Empfindungen, Wünsche und Sehnsüchte mit. Diese kleineren Arbeiten sind Refugien, in denen sich der Betrachter geistig niederlassen kann.

B is 21. Februar in der Sparkasse Dachau, Sparkassenplatz 1, zu den Öffnungszeiten. Am Donnerstag, 13. Februar, 18 Uhr, wird der Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler ein Künstlergespräch führen . Auch am 20. Februar wird der Künstler anwesend sein.

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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