Petershausen:Interview mit einem Genie

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Das Vokalensemble singt Beethovens "Ode an die Freude". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Kulturförderkreis nähert sich Beethovens Leben und Musik mit Humor

Von Renate Zauscher, Petershausen

Wer eigentlich war Beethoven? Man kennt ihn als einen der bedeutendsten Komponisten der europäischen Musikgeschichte, als den Mann, der auf dem berühmten Gemälde von Joseph Karl Stiegler mit grimmigem Ernst den Betrachter anschaut, auch als den von Krankheit und Unglück verfolgten Menschen. Wie aber sah das Leben des 1770 in Bonn Geborenen, der, nur 56 Jahre alt, 1827 in Wien starb, tatsächlich aus? Aus welcher Familie kam er, wie hat er gearbeitet, gewohnt, wen hat er geliebt? Wie ging er mit seinen Krankheiten, zuletzt seiner Taubheit um?

Diesen Fragen näherte sich der Kulturförderkreis Petershausen am Sonntag mit einer multimedialen Veranstaltung an: akustisch mit Auszügen aus Ludwig van Beethovens kompositorischem Werk, optisch mit Porträts von ihm selbst und Menschen aus seiner engsten Umgebung und - ein genialer Einfall des Förderkreis-Teams - einem "Interview", in das eigene Aussagen Beethovens wie etwa sein Brief an die "Unsterbliche Geliebte" und solche seiner Freunde mit einflossen.

Über die Jahre ist es dem Kulturförderkreis Petershausen immer wieder gelungen, hochkarätige Veranstaltungen zu stemmen. Grundlage für diesen Erfolg ist das enge Zusammenspiel von begeisterten engagierten Laien und professionellen Künstlern. Der Beethoven-Abend war erneut ein Beweis, wie gut dieses Konzept funktioniert. Den musikalischen Part übernahm zu großen Teilen das seit mehr als 40 Jahre von Eugen Tluck mit großem Enthusiasmus und professioneller Erfahrung geleitete Petershausener Kammerorchester, das Auszüge aus Orchesterwerken von Beethoven spielte. Die Orchestermitglieder sind ebenso Laien wie das fünfköpfige, von Ana Winkler-Nam geleitete Vokal-Ensemble. Die ausgebildete Sängerin Eva Maier-Merck trug Lieder vor, und als Pianistin hatte man Alina Voiler gewinnen können, deren Mann und Sohn als Mitglieder des Kammerorchesters ebenfalls eingebunden waren. "Die Voilers", sagt Barbara Blickle, die Leiterin des Kulturförderkreises, "sind natürlich ein Glücksfall für uns".

Ein Glücksfall in der Tat: Das leidenschaftlich kraftvolle Spiel der jungen, in Sankt Petersburg und München ausgebildeten Frau, die mit ihrer Familie in Erdweg lebt, begeisterte das Publikum. Egal, ob es sich um Auszüge aus der anspruchsvollen "Hammerklaviersonate" handelte, um solche aus der "Appassionata" oder der als Requiem konzipierten Sonate opus 110: Immer wieder gab es großen Beifall für die Pianistin, die im kommenden März ein ganzes Beethoven gewidmetes Konzert mit der Sinfonietta Dachau gestalten wird.

"Roll over Beethoven" hatte der Kulturförderkreis seinen Beethoven-Abend in Anlehnung an einen Hit von Chuck Berry in den Fünfzigerjahrengenannt. Und damit gezeigt, dass bei allem gebührenden Respekt vor dem großen Meister durchaus auch Humor in dessen Lebensschilderung einfließen darf. Ernst und Humor hielten sich dann auch die Waage im "Interview", das der theatererfahrene Franz Baur aus Erdweg mit Beethoven in der Person von Florian Blickle führte. Ein 23-Jähriger, der ohne jegliche physiognomische Ähnlichkeit mit dem historischen Beethoven diesen verkörpern soll? Doch, das geht! Es gelang Blickle, den großen Musiker glaubhaft als Menschen dazustellen, dessen Lebensweg aus leidvoll erlebter Kindheit über unglückliche Liebesbeziehungen, Krankheiten verschiedenster Art und der schließlich für den Komponisten desaströsen Taubheit zu enormem beruflichem Erfolg führte. Das Ende: die Beerdigung im Währinger Friedhof, zu der an die 20 000 Menschen kamen, ein Drittel der damaligen Stadtbevölkerung; der Künstler war endgültig zum "Popstar" geworden.

© SZ vom 19.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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