Perfide Maschen:Bei Anruf Abzocke

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Die Zahl perfider Enkeltrickbetrügereien nimmt auch im Landkreis Dachau dramatisch zu. Im laufenden Jahr zählt die Polizei bereits 81 Fälle. Das sind drei Mal mehr als 2014.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Sie gehen dreist und äußerst perfide vor: Enkeltrickbetrüger. Mit den Worten "Rate mal, wer hier spricht" oder ähnlichen Formulierungen rufen die überregional agierenden Täter bei meist älteren und allein lebenden Personen an und geben sich als Verwandte, Enkel oder gute Bekannte aus. Mit der Begründung, in einer finanziellen Notlage zu stecken, bitten sie sodann kurzfristig um Bargeld. Sobald die gutgläubigen Rentner das Geld übergeben haben, fehlt von den Betrügern jede Spur - und das Geld ist für immer verloren.

Erst am vergangenen Mittwoch, das meldete das Polizeipräsidium Oberbayern Nord, waren die Enkeltrickbetrüger wieder im Landkreis Dachau zugange. Sie wandten ihre perfide Masche gleich bei drei Dachauern an. Während zwei davon den Betrugsversuch sofort durchschauten, fiel eine 60-jährige Frau aus Dachau-Ost auf die Täter herein. Der Anrufer hatte sich laut Polizei als Sohn des Opfers ausgegeben: Er brauche dringend Geld für einen Wohnungskauf. Da er momentan aber im Stau stecke, werde ein Notar das Geld abholen. Im Glauben, dass tatsächlich der Sohn am anderen Ende der Leitung sprach, hob die Frau mehrere tausend Euro bei ihrer Bank ab und händigte das Geld wenig später dem vermeintlichen Notar aus. Als die Frau den Betrug schließlich bemerkte, war es längst zu spät. Die Kripo Fürstenfeldbruck sucht nun nach Zeugen, denen möglicherweise verdächtige Personen oder Fahrzeuge im Bereich der Stresemannstraße in Dachau aufgefallen sind.

Im Landkreis wurden mit der Masche fast 200 000 Euro erbeutet

Die Zahl der Enkeltrickbetrügereien hat nach einem Bericht des Polizeipräsidiums dramatisch zugenommen. Der entstandene Schaden im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums Oberbayern Nord, zu dem auch der Landkreis Dachau gehört, beläuft sich in 2015 auf 190 000 Euro. Allein im laufenden Jahr zählen die Ermittler 81 Fälle im Landkreis - das sind drei Mal mehr als noch im vergangenen Jahr. Demnach sind die Betrüger längst nicht mehr nur in Dachau unterwegs. Bei insgesamt sieben Betrugsversuchen in den Gemeinden Erdweg, Bergkirchen und Hebertshausen blieben die Kriminellen glücklicherweise erfolglos. In der Gemeinde Karlsfeld, wo die Enkeltrickbetrüger 13 Mal ihr Glück versuchten, nahmen sie im März einer 76-jährigen Frau einen fünfstelligen Betrag ab. Noch schlimmer traf es nur die Dachauer. Von den insgesamt 61 Fällen endeten zwei mit Geldübergaben, die im vier- beziehungsweise fünfstelligen Bereich lagen.

"Der Enkeltrick ist eine besonders hinterhältige Form des Betrugs, der für die meist älteren Opfer oft existenzielle Folgen haben kann. Sie können dadurch hohe Geldbeträge verlieren oder sogar um ihre Lebensersparnisse gebracht werden", warnt Jürgen Weigert, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt. Die meist aus dem Ausland operierenden Täter täuschten in den meisten Fällen einen finanziellen Engpass oder eine Notlage vor, etwa einen Unfall oder einen Auto- oder Immobilienkauf. Die Lage, so Weigert, werde immer äußerst dringlich dargestellt. Oft würden die Betroffenen durch wiederholte Anrufe auch unter Druck gesetzt. Ist das Opfer zahlungswillig, kündigten die Täter einen Boten zur Abholung an. Hat der Angerufene die geforderte Summe nicht parat, folge die Aufforderung, den Betrag bei der Bank abzuheben.

Die Fahndung nach den konspirativ und vorsichtig vorgehenden Enkeltrickbetrügern gestaltet sich laut Polizeisprecher Weiger äußerst schwierig. Von den 81 Fällen, die in diesem Jahr im Landkreis Dachau registriert wurden, konnte bislang kein einziger aufgeklärt werden. "Nur wenn die Polizei schnellstmöglich informiert wird, kann es gelingen, konzeptionell einzuschreiten und Tatverdächtige dingfest zu machen", sagt Weigert. In fast allen Fällen aber seien die Kriminellen längst über alle Berge, wenn der Betrug der Polizei gemeldet wird.

Erfolgreiche Präventionsarbeit

Folglich setze die Polizei in erster Linie auf Präventionsarbeit. Mit Erfolg. In knapp 98 Prozent der angezeigten Fälle seien die Täter erfolglos geblieben, "weil den Opfern das Phänomen bekannt war". Neben der Berichterstattung in den Medien, verteilten die Dienststellen des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in der Vergangenheit zusätzlich Präventionsflyer zum Phänomen Trickdiebstahl. Zudem wurden auch die Mitarbeiter von Banken und Sparkassen mit Infomaterial sensibilisiert. Der dringende Rat der Polizei: Nichts von sich am Telefon preisgeben, Kontrollfragen stellen, Rückruf vereinbaren.

Die Enkeltrickbetrüger reagieren, indem sie sich immer perfidere Maschen ausdenken, wie aus dem Fall einer Karlsfelderin ersichtlich wird. Die 75-Jährige hatte angeblich ihre Enkelin in der Leitung. Für den vorgeblichen Kauf einer Eigentumswohnung müsse sie einen größeren Geldbetrag im Voraus einzahlen. Die gutgläubige Seniorin hob den fünfstelligen Betrag bei ihrer Bank ab. Zuhause angekommen, teilte die "Enkelin" dann mit, dass sie das Geld doch nicht selbst abholen könne, sondern ein Bekannter. Als der Rentnerin nun Zweifel an der Aktion kamen, läutete das Telefon erneut und ein Mann gab sich als Kripo-Beamter aus. Er sei von der Bank über ihre Abhebung informiert worden und die Polizei überwache nun die Geldübergabe, um den Täter festnehmen zu können. Schließlich übergab die Frau dem vermeintlichen Polizisten das Geld. Erst später erfuhr sie, dass es gar keinen Polizeieinsatz gab.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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