Passionskonzert:Ergreifendes Leiden

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Stimmgewaltig präsentieren sich der Klassik Chor München und seine fünf Solisten unter Leitung von Christian Meister. (Foto: Toni Heigl)

Der Klassik Chor München begeistert am Petersberg

Von Sonja Siegmund, Erdweg

Die einzigartige Akustik der romanischen Basilika am Petersberg hat dem Kantatenzyklus "Membra Jesu nostri" des dänisch-deutschen Barockkomponisten Dieterich Buxtehude von 1680 einen besonderen Klang verliehen. Mit großem Ernst und Würde haben sich der Klassik Chor München, fünf Solisten und ein Ensemble in historischer Aufführungspraxis diesem Werk angenommen.

Die von Buxtehude (1637 bis 1707) komponierten Passionskantaten verknüpfen Bibelverse mit Texten einer mittelalterlichen Andachtsdichtung. Das Werk besteht aus sieben Teilen, die in aufsteigender Reihenfolge einer Körperpartie des gekreuzigten Jesu gewidmet sind: Füße, Knie, Hände, Seite, Brust, Herz, Gesicht. Der siebte Teil "Salve caput cruentatum" diente schon Paul Gerhard als Vorlage für das Kirchenlied "O Haupt voll Blut und Wunden", das auch von Johann Sebastian Bach in seiner Matthäuspassion verwendet wurde. Dieser Kantatenzyklus, in dem das Leiden Jesu Christi musikalisch aufgezeigt wird, möge auf die kommende Karwoche einstimmen und zugleich Zeit für Besinnung bieten, sagte Kirchenpfleger Michael Reindl zur Begrüßung.

Der Klassik Chor München trat bereits zum dritten Mal in der Basilika am Petersberg auf. Christian Meister, der seit 2001 die musikalische Leitung hat, hatte für dieses Passionskonzert fünf hervorragende Solisten gewinnen können, die sich auch im Terzett, Quartett oder Quintett ideal ergänzten: Birgit Schönberger und Flore Van Meerssche mit ihren wunderschönen Sopranstimmen sowie die ausdrucksstark singende Altistin Elisabeth Lottner. Den männlichen Solopart übernahm der Tenor Christoph Teichner sehr souverän sowie Martin Burgmair mit prächtig metallischer Bassstimme.

Über welch enormen stimmlichen Umfang der Klassik Chor verfügt, bewiesen die rund 30 Frauen und Männern bereits bei der ersten Kantate "ad pedes" mit dem Vers (Nahum 2,1) "Siehe, über die Berge kommen die Füße des Freudenboten und Verkünders des Friedens". Beeindruckend waren nicht nur die Stimmgewalt und die Ausgewogenheit des Chors, sondern auch die Präzision der Einstudierungen bei gleichzeitig hoher Emotionalität des Gesangs.

Instrumental wurde die Chorgemeinschaft vom Barockensemble München begleitet, das mit jeweils zwei Violinen, zwei Gamben (Kniegeige), zwei Violonen (8-Fuß und 16-Fuß-Kontrabass), einer Truhenorgel und einer Theorbe (Basslaute) besetzt war. Als Übergang zwischen zwei Kantaten gestaltete das Ensemble kurze Musikstücke der Renaissancekomponisten Heinrich Schütz und John Dowland.

Eine der innigsten und ergreifendsten Stellen kamen in der sechsten Kantate "ad Cor", dem Herzstück des gesamten Werkes, zum Ausdruck: "Sei gegrüßt, Herz des höchsten Königs! Ich grüße dich frohen Herzens. Dich zu umfassen erfreut mich." Für eine Verwendung im Gottesdienst dürfte diese Passionsmusik nicht komponiert worden sein. Es geht vielmehr um die persönliche Versenkung in das Leiden Christi, "in demütigster Verehrung von ganzem Herzen besungen". In fast liebevoller Betrachtung wird jedes der verwundeten Gliedmaßen Christi am Kreuz mit einem "Salve" begrüßt.

Diese Dichtung entsprach dem Frömmigkeitsgefühl des 17. Jahrhunderts und dem Glauben an die heilsbringende Kraft der Wunden Jesu. Schon von Anfang an machten Chor und Solisten die Trauer um den Gekreuzigten geradezu körperlich spürbar. Ohne jegliche Sentimentalität gestalteten sie die musikalischen Schmerzensgesten und den Klagegesang über die Wundmale Christi. Gerade diese Expressivität machte die Aufführung so berührend und unvergleichlich. Das andächtig lauschende Publikum bedankte sich am Konzertende mit nicht enden wollendem Applaus.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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