Palliativversorgung:Begleiter auf dem letzten Weg

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Sabine Kronauer (links) und Ulrike Zeller helfen schwerst kranken Patieten, die letzte Phase ihres Lebens im häuslichen Umfeld verbringen zu können. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Expertenteam der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) weitet ihr Angebot aus und leistet Angehörigen todkranker Menschen unbürokratische Unterstützung im eigenen Zuhause.

Von Petra Schafflik, Dachau

Die Krankheit ist fortgeschritten, eine Heilung nicht mehr möglich. Bürger im Landkreis, die mit so einer niederschmetternden Diagnose konfrontiert werden, können von sofort an mit der Palliativberatung auf ein neues Unterstützungsangebot zählen. Initiiert wird diese Hilfe für sterbenskranke Menschen und ihre Angehörigen vom Expertenteam der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV), das seit 2012 im Landkreis Patienten auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens betreut.

Doch während der Anspruch auf die umfassende medizinische, pflegerische wie soziale SAPV-Unterstützung strikt gesetzlich geregelt ist, diese Hilfe nur Patienten mit aufwendigen, komplexen Leiden erhalten, soll die neue Palliativberatung umfassender ansetzen. "Denn zu uns kommen immer wieder Menschen, die die Kriterien einer SAPV-Versorgung nicht oder noch nicht erfüllen, die aber trotzdem Unterstützung brauchen", erklärt Sabine Kronauer, Sozialpädagogin im SAPV-Team. Ziel der neuen, kostenlosen Palliativberatung ist es, Betroffene und ihre Angehörigen zu unterstützen beim Aufbau eines tragfähigen Hilfenetzes. "Denn es gibt viele Angebote im Landkreis, doch oft fehlt die Information", erklärt Leonore Hiebsch, Vorsitzende der als gemeinnützige Genossenschaft organisierten SAPV.

"Der lange Weg durch unser Gesundheitssystem frustriert"

Die letzte Lebensphase im häuslichen Umfeld verbringen, abseits von der anonymen Atmosphäre einer Klinik und doch medizinisch wie pflegerisch gut umsorgt: Der gesetzliche Anspruch auf eine spezialisierte Palliativversorgung bei den Patienten zu Hause und damit auch außerhalb stationärer Hospize, galt vor zehn Jahren als großer Meilenstein in der medizinischen Versorgung Schwerstkranker. Im Landkreis startete SAPV dann 2012, betreut werden von einem qualifizierten Team etwa 200 Patienten im Jahr. "Doch SAPV ist ein Spezialangebot für einen sehr kleinen Teil der schwerst kranken Menschen", erklärt Kronauer. Die meisten Patienten ohne Aussicht auf Heilung werden bisher zu Hause von ihrer Familie, Pflegediensten und Hausärzten betreut, ohne Zugang zu den speziellen Kompetenzen des Palliativteams. Deshalb soll die Qualifikation der SAPV-Mitarbeiter rund um die palliative Versorgung künftig genutzt werden, um deutlich mehr Menschen zu unterstützen.

Schon jetzt wenden sich Angehörige von todkranken Patienten mit ihren Anliegen und Nöten an das SAPV-Team. Denn auch wenn Tod und Sterben längst keine Tabu-Themen mehr sind wie noch von vor einigen Jahren, so fehlt doch der Zugang zu Informationen, Hilfsangeboten und unterstützenden Leistungen. Weil kein Mensch vorbereitet sein kann auf die schwierige Aufgabe, einen nahen Verwandten im Sterben zu begleiten, gebe es bei den Angehörigen eine große Verunsicherung. "In manchen Gesprächen reicht schon die Bestätigung: So wie es läuft, machen Sie alles richtig", sagt Leonore Hiebsch. Oft aber braucht es mehr. Denn wer mit der Versorgung des Schwerstkranken enorm gefordert ist, hat vielfach nicht mehr die Ausdauer und die Kraft, sich durch das Dickicht von Hilfeangeboten zu arbeiten. "Der lange Weg durch unser Gesundheitssystem frustriert", sagt Kronauer. Viel zu oft hörten Hilfesuchende den Satz: "Da sind wir nicht zuständig." Die neue Palliativberatung will genau dort ansetzen.

Wichtig ist die Kooperation mit Hausärzten, Pflegediensten, Therapeuten und dem Elisabeth-Hospizverein

Für Patienten mit lebensbegrenzenden Erkrankungen und ihre Angehörigen will die Einrichtung künftig Anlaufstelle sein, um dann in Kooperation mit dem behandelnden Hausarzt ein Hilfenetz aufbauen. "Wir sind ein Lotsendienst, der Angebote koordiniert. Wir möchten leisten, was Patienten wie Angehörige selbst oft nicht mehr schaffen". Daneben werden Betroffene in sozialrechtlichen Fragen beraten und unterstützt bei Anträgen auf Leistungen. Auf der Agenda des Teams aus Sozialpädagogen, Palliativ-Pflegekräften und Seelsorgern steht auch die psychosoziale Begleitung der Patienten und ihrer Familien in dieser schwierigen Lebenssituation.

Aber auch ganz konkrete Tipps im Pflegealltag können helfen, die Situation zu verbessern, erklärt Palliative-Care-Fachkraft Ulrike Zeller. Wichtig sei die Kooperation mit Hausärzten, Pflegediensten, Therapeuten und dem Elisabeth-Hospizverein. Gerade auch Mediziner und Pflegedienste, die oft die Not oder Unsicherheit der Angehörigen sehen, aber aus dem Termindruck heraus nicht intensiv darauf eingehen können, sollen entlastet werden.

Für Ratsuchende ist die Palliativberatung kostenlos, finanziert wird die neue Leistung ausschließlich aus Spenden, die dem SAPV-Team regelmäßig zufließen. "Es ist ein Phänomen, wie wir kontinuierlich bedacht werden, auch mit Großspenden", sagt Leonore Hiebsch. Nachdem die klassische SAPV-Versorgung von den Kassen durchaus kostendeckend vergütet wird, sollen diese Gelder nun in eine Ausweitung des Palliativangebots fließen. "Die SAPV hat im Landkreis von Anfang an enorme Unterstützung erfahren. Davon wollen wir jetzt etwas zurückgeben", erklärt Hiebsch. Durch die Finanzierung aus Eigenmitteln kann die Anlaufstelle unbürokratisch agieren, "wir haben eine große Freiheit."

Einzige Einschränkung: Die Palliativberatung kümmert sich gezielt um Patienten mit einer lebensbegrenzenden Erkrankungen. Wer allgemein Fragen rund um die Pflege eines Angehörigen hat, ist bei der Fachstelle für pflegende Angehörige richtig, die bei der Caritas angesiedelt ist. Allerdings wird niemand abgewiesen, versichert Kronauer, vielmehr gezielt weitervermittelt. Das Team der Palliativberatung ist vorbereitet, die Kapazitäten bei großer Nachfrage bedarfsgerecht aufzustocken. Alles mit einem Ziel: Kompetenzen im Umfeld so stärken, dass sterbenskranke Menschen individuell nach ihren Wünschen betreut werden und wirklich bis zuletzt zu Hause bleiben können.

Kontakt zum Palliativ-Team über Sabine Kronauer, 08131/2749911 oder 0151/62810137

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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