Orgelkonzert:Fulminante Vorstellung

Lesezeit: 2 min

Organist Christoph Schönfelder brilliert in Mariä Himmelfahrt

Von Ludwig Kramer, Dachau

Vielleicht kann man nur mit geschlossenen Augen die Werke des blind geborenen Komponisten Louis Vierne in ihren feinfühligen und wuchtigen Momenten erfassen. Christoph Schönfelder ließ die Augen zu und hat dem Publikum beim ersten Orgelkonzert in Mariä Himmelfahrt nach der Sommerpause in jedem Fall ein fulminantes Konzert gegeben. Kirchenmusiker Rainer Dietz begrüßte am frühen Sonntagabend die rund 80 Gäste, darunter die Orgelbauerfamilie Kaps, die vor ziemlich genau zwei Jahren ihr bisher größtes Projekt in Dachau vollendet hat.

Mit dem ruckhaften Beginn des letzten Satzes aus der späten sechsten Symphonie des französischen Komponisten Louis Vierne reißt der junge Organist Christoph Schönfelder sofort seine Zuhörer mit. Es folgt eine stark rhythmisierte Melodie, die sich irgendwo zwischen Jahrmarkt und Jazz verorten lassen würde. Stimmungswechsel beim zweiten Thema. Ruhige, motorisierende Tonwiederholungen in allen Oktaven liegen einer Melodie zugrunde, die sich vom Bass langsam, Takt für Takt, in die Oberstimme verschiebt. Nach dem ersten Programmpunkt ist klar, dass Schönfelder keine Light-Version der auf hohem Niveau liegenden Orgelkonzerte in Mariä Himmelfahrt bieten wird. Ohne Noten und immer wieder mit geschlossenen Augen spielt Christoph Schönfelder Stücke von Johann Sebastian Bach bis Olivier Messiaen, der erst 1992 verstarb, das Geburtsjahr des Organisten. Nach seiner musikalischen Grundausbildung bei den Regensburger Domspatzen und dem dortigen Domorganisten studierte Schönfelder an der Hochschule für Musik und Theater in München mit einem Schwerpunkt auf Improvisation. Vielfach ausgezeichnet gewann der Fünfundzwanzigjährige jüngst den ersten Preis des Gasteig-Wettbewerbs, der dieses Jahr in den Kategorien Historische Aufführungspraxis, Gesang und eben Orgel verliehen wurde.

Als starken Kontrast zu Viernes Schlusssatz erklingen zwei Sätze einer Trisonate für Orgel, die Johann Sebastian Bach streng nach italienischem Vorbild komponierte. Die Bezeichnung "Trisonate" rührt hier aber nicht von der Dreisätzigkeit, sondern von der von Bach eigens auferlegten Herausforderung, die Manuale für Ober- und Mittelstimme sowie den Bass im Pedal unabhängig und einstimmig zu halten. Dies waren beste Voraussetzungen für Wolfgang Amadeus Mozart, der den zweiten Satz "adagio e dolce" später für Streichtrio bearbeitete.

Das einzige religiöse Stück bildete den Abschluss des Konzerts. "L'Ascension" (Himmelfahrt) von Olivier Messiaen erschien zwar nur drei Jahre nach der eingangs ertönten Sechsten Symphonie Viernes, ist aber musikalisch schon viel eher in der Moderne beheimatet. Chromatisch schlängelt sich die Tonreihung in nicht mehr nachzuvollziehende Sphären, während sich ein Pattern von höchster Höhe nach unten arbeitet. Dies alles scheint für Schönfelder reine Fingerübung zu sein, dem sein gefühlvolles Spiel auch körperlich anzusehen ist.

Stehend applaudiert das Publikum nach dieser großen Leistung des noch jungen Organisten und lässt ihn erst nach einer kurzen Zugabe gehen.

Das nächste Orgelkonzert in Mariä Himmelfahrt findet am Sonntag, 5. November, um 17 Uhr mit Anne Horsch statt. Der Dachauer Kammerchor und das Ensemble Lodron bringen am Samstag, 18. November, um 19 Uhr Teile der h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach sowie das Trompetenkonzert D-Dur von Telemann in Mariä Himmelfahrt zur Aufführung.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: