Online-Seminar:Antisemitisches Grundrauschen im Alltag

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Historikerin Kerstin Schwenke. (Foto: oh)

Das Dachauer Forum will mit einem neuen digitalen Projekt gegen die wachsende Judenfeindschaft in Deutschland vorgehen

Antisemitische Übergriffe prägen in Deutschland den Alltag von Juden und Jüdinnen. Sie werden von Politikern in schöner Regelmäßigkeit zwar verurteilt - doch was es wirklich braucht, "ist ein wirksames Gegensteuern", wie Charlotte Knobloch anlässlich des Angriffs auf einen jüdischen Studenten vor der Synagoge in Hamburg vor knapp einer Woche erklärte. Politik, Polizei und Justiz müssen den jüdischen Gemeinden wirklichen Schutz bieten und gegen den Judenhass entschlossen vorgehen. Die Realität sieht anders aus.

Doch: "Das Thema Antisemitismus betrifft nicht nur eine betroffene Minderheit unserer Gesellschaft, sondern geht uns alle an", erklären die Historiker Kerstin Schwenke und Gerd Modert. Denn es ist der Antisemitismus in der sogenannten Mitte der Gesellschaft der den Boden für Gewalttaten bereitet, bis hinein in politische Parteien wie der AfD. Das Dachauer Forum, die größte Einrichtung zur Erwachsenenbildung im Landkreis, setzt deshalb auf Aufklärung und Information, um gegen die fortschreitende Normalisierung von Antisemitismus im Internet und im öffentlichen Raum vorzugehen. Erfahrene Referentinnen und Referenten haben in einer Projektgruppe unter Leitung von Kerstin Schwenke und Gerd Modert neue Angebote der politischen Bildung entwickelt. Kombiniert wird digitales Lernen mit einem Rundgang in einer kleinen Gruppe in der KZ-Gedenkstätte Dachau.

"Die Ergebnisse überzeugen und begeistern mich", stellte Kerstin Schwenke bei der Präsentation fest. Das Dachauer Forum lädt Multiplikatoren wie Lehrer, Gedenkstättenreferenten, Sozialarbeiter, überhaupt alle Interessierten ein, die derzeit kostenlosen Angebote zu nutzen. Das Kultusministerium und der Bezirk Oberbayern fördern das Projekt.

Das Seminar zur Geschichte und Gegenwart judenfeindlicher Vorurteile und Gewalt sowie zum jüdischen Leben seit nunmehr 1700 Jahren in Deutschland startet mit fünf Terminen am Montag, 26. Oktober. Im Seminar beschäftigen sich die Teilnehmenden mit Fragen der Geschichte der antisemitischen Weltanschauung, die ausgehend vom Antijudaismus der Kirchen das abendländisch-christliche Denken geprägt hat. Die aktuellen Entwicklungen und Brennpunkte des Antisemitismus in Deutschland und Europa kommen ebenso zur Darstellung, etwa die Verschwörungsmythen, die gerade in der Corona-Pandemie Hochkonjunktur haben, oder der israelbezogene Antisemitismus wie auch die Reproduktion judenfeindlicher Stereotype in den Medien und im Schulunterricht. Dabei kommt dem Schuldabwehrantisemitismus eine besondere Rolle zu - Judenfeindschaft nicht trotz sondern wegen Auschwitz. Das Projekt bietet auch ein Handlungstraining: Argumente gegen Vorurteile und judenfeindliche Narrative im Alltag. Wie begegnet man am Arbeitsplatz, im Freundes- und Bekanntenkreis antisemitischen Vorurteilen? Dabei geht es auch um die Konstruktion "des Juden" im Denken als des Fremden, des Anderen.

Das digitale Seminar findet statt am Montag, 26., Mittwoch, 28., Donnerstag, 29. Oktober, sowie Montag, 9. November, jeweils von 17 bis 20 Uhr. Der Rundgang in der KZ-Gedenkstätte Dachau ist für Mittwoch, 11. November, von 13 bis 16 geplant. Anmeldung: Dachauer Forum, Telefon 08131 99688-0 oder www.dachauer-forum.de.

© SZ vom 10.10.2020 / hz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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