Noch 162 Lehrstellen frei:Ein Meistertitel ist so gut wie ein Bachelor

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SPD-Bildungsexperte Martin Güll will auch Abiturienten für die Chancen begeistern, die Ausbildungsberufe bieten

Von Christiane Bracht, Dachau

Der SPD-Bildungsexperte im Landtag, Martin Güll, ist alarmiert. Während immer mehr Schüler aufs Gymnasium streben, um Abitur und Studium machen zu können, suchen die Betriebe händeringend nach Lehrlingen. Allein im Landkreis Dachau sind derzeit noch 162 Ausbildungsstellen frei. Angesichts dieser Zahlen plädiert Güll für mehr Berufsorientierung an den Gymnasien. Von der achten Klasse an sollte dies zum Standard gehören. "Es muss nicht jeder Abiturient studieren", gibt er zu bedenken. Immerhin liege die Abbrecherquote an den Hochschulen bei 30 Prozent. "Wenn es uns gelingt, diese jungen Menschen rechtzeitig für einen Ausbildungsberuf zu begeistern, ist allen geholfen."

Güll ist Vorsitzender des Bildungsausschusses des Bayerischen Landtags. Im Zuge seiner Tätigkeit hat er festgestellt, dass sich momentan nur zwei oder drei von 100 Abiturienten für eine duale Berufsausbildung interessieren. Viel zu wenige. Speziell wenn man bedenkt, dass im vergangenen Jahr immerhin 40 000 Jugendliche in Bayern das Abitur gemacht haben. Da wundert es nicht, dass die Wirtschaft jammert. Viele heimische Gewerbebetriebe, aber auch die Industrie- und Handelskammer (IHK), haben schon öfter bemängelt, dass die Jugendlichen überhaupt nicht wissen, welche Möglichkeiten sie haben und schon deshalb immer die bekannten Wege gehen. Außerdem klagen sie, dass eine Berufsausbildung einen schlechteren Ruf hat als ein Studium, dabei hätten die jungen Leute, die sich für diesen Weg entscheiden oft bessere Chancen Karriere zu machen.

"Wenn man nur ein Viertel der Abiturienten für eine Berufsausbildung gewinnen könnte, würde der Fachkräftemangel spürbar kleiner", sagt Güll. Der Dachauer Landtagsabgeordnete fordert deshalb eine staatliche Informationskampagne, mit der Schüler, aber auch Eltern über die Vorteile einer Berufsausbildung aufgeklärt werden. "Viele Eltern wissen gar nicht, welche hervorragenden Zukunftsperspektiven Ausbildungsberufe bieten", wirbt Güll. Und wer einen Meister mache, sei genauso qualifiziert, wie jemand, der sein Studium mit dem Bachelor abschließe. Um so trauriger sei es, dass die jungen Leute an den Gymnasien kaum auf die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten hingewiesen würden. Das will Güll jetzt ändern.

Dem SPD-Politiker schwebt ein Gesamtkonzept für die Berufsorientierung in allen Schularten von der achten Klasse an vor. Außerdem will er Mittel-, Real- und Berufsschulen stärken. "Diejenigen, die sich für eine duale Ausbildung entscheiden, müssen Top-Qualität im Ausbildungsberuf und an der Berufsschule bekommen", sagt er. Ein Unterrichtsausfall von fast zehn Prozent sei kontraproduktiv. Und was noch schlimmer sei: es falle jedes Jahr mehr Unterricht aus.

Güll fordert eine bessere finanzielle Ausstattung der Schulen und eine bessere Planung über den Lehrerbedarf. Dem Kultusministerium gelinge es seit Jahrzehnten nicht, die Zahl der Lehramtsstudenten und die offenen Stellen aufeinander abzustimmen. "Wir müssen deshalb auch über eine Reform der Lehrerausbildung nachdenken."

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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