Neujahrsempfang der Kreis-Grünen:Grüne wollen Rückenwind für Europawahl nutzen

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Prominente grüne Gesprächsrunde: Henrike Hahn diskutiert mit der Bundestagsabgeordneten Beate Walter-Rosenheimer und Anton Speierl (von links). (Foto: Toni Heigl)

Auch die Landkreis-Grünen schwimmen seit der Landtagswahl auf einer Welle des Erfolgs. Im Mai bei der Europawahl wollen sie ihr gutes Ergebnis wiederholen.

Von Horst Kramer, Dachau

Schicksalswahl. Dieser ominöse Begriff war auch auf dem Neujahrsempfang der Landkreis-Grünen am vergangenen Samstag im Dachauer Zieglerbräu zu hören. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer verwendete die oft genutzte Vokabel. Klar, dass sie die anstehende Europawahl im Mai meinte. Klar auch, dass sie vor den "Ewiggestrigen" warnte, die "Europa als Idee" abschaffen wollten. Doch eigentlich passten die alarmierenden Worte nicht zur optimistischen Grundstimmung der Veranstaltung: Die Grünen - im Landkreis wie im Freistaat - schwimmen seit der Landtagswahl im vergangenen September auf einer Welle des Erfolgs. Es herrschte eine fast schon euphorische Stimmung.

Eine Stimmung, die Henrike Hahn, die Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen, im Mai in das EU-Parlament nach Brüssel und Straßburg tragen dürfte. Die 48-jährige Münchnerin enthielt sich in ihrer Vorstellungsrede weitgehend der scharfen Töne. Von einer Attacke auf die bayerische Dauerregierungspartei einmal abgesehen: "Auf die Europapolitik der CSU kann man sich nicht verlassen", sagte die Politikwissenschaftlerin. Die jüngsten pro-europäischen Wortmeldungen von Ministerpräsident Markus Söder seien kein Beweis für einen Sinneswandel, warnte Hahn. Sie erinnerte an Söders bayerische Grenzpolizei, die "nicht mit dem europäischen Recht vereinbar" sei. "Europapolitik misst sich nicht an Worten, sondern Taten", gab sich Hahn kämpferisch und lieferte noch einen Kalauer nach: "Die CSU ergrünt, ohne zur erröten!"

"Die CSU ergrünt, ohne zur erröten"

Ansonsten setzte sie auf nachdenkliche Töne und Inhalte, durchaus auch überraschende. Hahn war ehedem als Unternehmensberaterin international tätig und hat praktische politische Expertise als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landtag erworben, mit dem Schwerpunkt Finanzen. Sie findet: "Politik und Wirtschaft müssen Hand in Hand gehen." Der immense EU-Haushalt - mehr als 160 Milliarden Euro im abgelaufenen Jahr - böte zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Zum Beispiel beim zweitgrößten Topf, den Agrarsubventionen. 2018 waren das 59 Milliarden Euro. Selbst kleine Programme zeigten Wirkung. Die Neuhausenerin erzählte: "An der Grundschule meiner Kinder wird einmal in der Woche Obst verteilt, das aus EU-Mitteln beschafft wurde." Für viele der Kinder sei das eine wichtige Mahlzeit, weil sie von ihren Eltern ohne Pausenbrot in den Schultag geschickt würden, berichtete Hahn. "Die EU steht für Humanität", schloss die Kandidatin. "Es liegt an uns, dass es so bleibt."

Hahn nimmt auf der Bundesliste übrigens einen aussichtsreichen 13. Listenplatz ein. Gegenwärtig sind elf deutsche Grüne in Brüssel und Straßburg aktiv - bei einem Wahlergebnis von zehn Prozent im Jahre 2014.

Zahl der Grünen-Mitglieder wächst im Landkreis Dachau

Auch die weiteren Redner des Abends verbreiteten positive Botschaften. Sarah Jacob, die Schatzmeisterin der Landkreis-Grünen, erinnerte an den umjubelten Auftritt des Bundesvorsitzenden Robert Habeck im rappelvollen Dachauer Volksfestzelt - über seinen verunglückten Twitter-Beitrag, durch ein Wahlerfolg der Grünen würde Thüringen frei und demokratisch, wurde allerdings taktvoll geschwiegen.

Sarah Jacob freute sich über einen Mitgliederzuwachs von 33 Prozent: von bescheidenen 66 Mitgliedern auf immerhin 88. Im April wurde ein neuer Ortsverband in Petershausen aus der Taufe gehoben. Und der Dachauer Anton Speierl zog zu seiner eigenen großen Überraschung im September in den Bezirkstag ein, als erster Grüner überhaupt.

Die Grünen loben Landrat Stefan Löwl (CSU)

Thomas Kreß, der Vorsitzende der grünen Stadtratsfraktion in der Großen Kreisstadt, berichtete von ersten Erfolgen in der Verkehrspolitik wie den verlängerten Busfahrzeiten, mahnte aber auch weiteres Engagement an, zum Beispiel beim avisierten Verkehrsleitbild der Stadt. Die Ostumgehung lehnt Kreß weiterhin vehement ab - sie sei eine "Gewerbegebietserschließungsstraße", nicht nur für Dachau, sondern auch für Hebertshausen.

Kreisrat Achim Liebl schwärmte vom konstruktiven Miteinander mit allen Parteien im Kreistag, insbesondere auch mit Landrat Stefan Löwl (CSU). Zwischenruf von Beate Walter-Rosenheimer, die selber zusätzlich im Fürstenfeldbrucker Kreistag aktiv ist: "Mit eurem Landrat habt ihr wirklich Riesenglück!"

Im vergangenen Sommer hatte sich Liebl nicht mehr für den Posten des Co-Kreisvorsitzenden zur Verfügung gestellt. Statt seiner wurde der Karlsfelder Michael Fritsch gewählt. Der Wirtschaftsinformatiker leitete den Abend mit einigen Überlegungen zum Erfolg populistischer Politiker ein. Doch dann sorgte er für eine unfreiwillige komische Note, weil er die Bundestagsabgeordnete konsequent mit "Beate Maier-Rosenheimer" ansprach. Die Germeringerin nahm es humorvoll: "Nenn mich Beate."

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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