Neues Schuljahr:Mittelschule als Chance

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Roland Grüttner wechselt als Schulleiter von der privaten Montessorischule in Dachau in den staatlichen Schulbetrieb nach Bergkirchen. Er sieht den mittleren Bildungsabschluss als guten Start ins Berufsleben und will ihm zu mehr Ansehen verhelfen

Von Petra Schafflik, Bergkirchen

Der Blick durchs Bürofenster geht über abgeerntete Felder, grüne Wiesen und Wälder. "Ein Zuckerl", sagt Roland Grüttner, neuer Schulleiter der Grund- und Mittelschule Bergkirchen, zu dem Panorama, auf das er an seinem neuen Arbeitsplatz nun vom Schreibtisch aus blickt. Von der Montessorischule Dachau, die er vorher geleitet hat, verabschiedete sich der erfahrene Pädagoge nach 18 Jahren, weil auch seine Frau Susanne dort als Lehrerin tätig ist und ein Ehepartner nicht Dienstvorgesetzter des anderen sein darf.

Doch Bergkirchen ist jetzt kein Notnagel, vielmehr hat sich Grüttner gezielt für diese Volksschule entschieden, die Mädchen und Buben aller Altersstufen von der ersten Klasse bis zum mittleren Schulabschluss des M-Zweigs besuchen. Zudem habe er aus früheren Kontakten mit den aufgeschlossenen Kollegen wie auch dem hellen, modernen Gebäude "nur positive Gefühle" verbunden. Und auch wenn er nun zurück im staatlichen Schulsystem erst einmal mit den komplexen Variablen des Stundenplans kämpft, lobt er bereits die gute Unterstützung durch die Gemeinde, die ihre Schule "immer gut im Auge hat."

Ein Ganztagsangebot hat sich bisher an der Grund- und Mittelschule Bergkirchen nicht durchgesetzt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Unterschiedlicher Takt von Schulbus-Linien, spezielle Stundenkontingente der Lehramtsanwärter und eine verlässliche Personalzuweisung erst Ende August - "da stauen sich die Aufgaben." Allein den Stundenplan zu erstellen, sei "sehr komplex", sagt Roland Grüttner, der sich seinen Neuanfang nicht ganz so stressig vorgestellt hat. Umso mehr freut er sich über Geduld und Kooperation des 40-köpfigen Lehrerteams. Bald, da ist Grüttner zuversichtlich, wird alles Routine sein. Dann möchte der neue Schulleiter die Schulentwicklung voranbringen. Mit der kollegialen Hospitation, bei der sich Lehrerkollegen gegenseitig im Unterricht besuchen, um Anregungen und Tipps auszutauschen, soll eine Idee umgesetzt werden, die auch Konrektorin Andrea Wiesner auf ihrer Agenda hatte. "Da wird sich rasch etwas entwickeln".

Keinen Handlungsbedarf sieht Rektor Grüttner dagegen in Sachen gebundener Ganztagszug. Zwar ist er persönlich überzeugt von dieser Unterrichtsform, die auch an der Montessorischule vor einigen Jahren installiert wurde. Allerdings ist die Einführung in der Bergkirchner Grundschule in den vergangenen Jahren immer wieder am fehlenden Interesse der Eltern gescheitert. Das liegt unter anderem daran, dass in Bergkirchen der Hort mit seinen umfangreichen Betreuungszeiten direkt an die Schule angeschlossen ist.

Der neue Schulleiter Roland Grüttner will erfolgreiche Integrations- und Inklusionsprojekte weiter fördern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Und den Familien ist diese Flexibilität offenbar viel wichtiger als der rhythmisierte Unterricht im gebundenen Ganztag." Also wird es vorläufig keine weiteren Versuche in Richtung Ganztag geben. Unterstützen will der neue Schulleiter dagegen gerne die recht aktive Zusammenarbeit mit dem Franziskuswerk Schönbrunn, das bereits eine sogenannte Partnerklasse im Bergkirchner Schulhaus betreibt. Und eine inklusive Theatergruppe für Schüler mit und ohne Handicap arbeitet sehr erfolgreich. Diese Vorhaben will Roland Grüttner weiter stützen: "Inklusion interessiert mich sehr."

Nicht ganz ablassen wird Grüttner auch von seinem Anliegen, Kindern die Option auf längeres gemeinsames Lernen zu bieten. Mehrfach hat er in der Vergangenheit als Schulentwickler interessierte Gemeinden unterstützt, die eine Gemeinschaftsschule aufbauen wollten. Gelungen ist es nie, weil der Freistaat Bayern als einziges deutsches Bundesland keine Form des gemeinsamen Lernens bietet, nicht einmal ein Pilotprojekt gibt es. Deshalb gilt vielen Eltern der Übertritt auf eine weiterführende Schule nach der vierten Klasse als entscheidend.

Auch in Bergkirchen spiegeln die Zahlen dieses Phänomen, sagt Grüttner mit Blick auf die Statistik. Zwei Drittel der Schüler gehen nach der vierten Klasse weg. Ohne die attraktive M-Zug-Klasse mit Fachbereich Wirtschaft, die ab der achten Jahrgangsstufe wieder Mädchen und Buben auch von außerhalb anzieht, wäre womöglich die Existenz der Mittelschule längst bedroht. Doch mit Blick auf die Schüler und ihre Familien, möchte Grüttner den Fokus auf den Übertritt mildern. Denn der soziale Druck, unbedingt aufs Gymnasium oder die Realschule zu wechseln, belastet Eltern und Kinder, lässt die an der Mittelschule zurückbleibenden Schüler als Verlierer dastehen. Das ist fatal für diejenigen, die es nur knapp schaffen und dann jahrelang kämpfen, statt mit Freude zu lernen. Dabei, davon ist der erfahrene Pädagoge Grüttner überzeugt, biete doch gerade der mittlere Bildungsabschluss der Mittelschule hervorragende Startchancen. Das bewiesen auch die erfolgreichen Berufswege und Karrieren nicht weniger Ehemaliger der Bergkirchner Schule. "Daher möchte ich die Mittelschule und ihren M-Zweig intensiv bewerben".

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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