Neues Quartier in Dachau:Fast schon eine Kleinstadt

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Wohnungen, Grünfläche, Nahversorgung: An der Gestaltung des Stadtviertel Augustenfeld-Nord arbeiten die Dachauer aktiv mit - und erhalten viel Lob vom Oberbürgermeister für ihre guten Ideen

Von Petra Schafflik, Dachau

Schon bevor es losgeht mit der Präsentation diskutieren Bürger vor Schautafeln. Zusätzliche Stühle werden aufgestellt, damit alle Zuhörer einen Sitzplatz finden. Enormes Engagement der Dachauer hat die Rahmenplanung für ein neues Stadtviertel Augustenfeld-Nord seit dem Start der Bürgerbeteiligung vor zwei Jahren beständig begleitet. Nach Stadtteil-Spaziergang und fünf Workshops mit Planern und Experten wurde eine Leitlinie entwickelt, nach der zwischen Bahnlinie, Schulzentrum, Theodor-Heuss- und Schleißheimer-Straße ein neues Quartier entstehen kann.

Enormes Engagement und Interesse der Dachauer begleite seit zwei Jahren die Rahmenplanung für ein neues Stadtviertel. (Foto: Niels P. Joergensen)

Herzstück wird eine großzügige Grünfläche, um die sich Nahversorgung, soziale Angebote und Wohnungen für 2200 neue Bürger gruppieren sollen. Direkt an der Schleißheimer Straße ist ein Parkhaus vorgesehen. Dieses Konzept, vom Stadtrat bereits gebilligt und jetzt auch öffentlich vorgestellt, ist nun Startpunkt für konkrete Bebauungspläne. Loslegen will Bauamtsleiter Michael Simon mit dem nördlichen Areal samt Parkhaus. Auch ein Mobilitätskonzept steht auf der Agenda ganz oben, um den Verkehr rund um das neue Viertel in den Griff zu bekommen. Bevor erste Bagger anrollen, wird es aber dauern. "Das ist eine Rahmenplanung mit langem Zeithorizont", betonte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD).

So könnte das neue Viertel laut Plan aussehen. (Foto: Prof. Peter Tausch)

Wie das neue Viertel Augustenfeld-Nord aussehen könnte, stellte Planer Peter Tausch vor: Im Zentrum ein weitläufiger Grünzug, der naturnah gestaltet werden soll. Dazu zwei Wohnquartiere - westlich nahe der Bahnlinie eine Siedlung mit bis zu sechsgeschossigen Gebäuden, auf dem dann ehemaligen TSV-Gelände Wohnhäuser mit bis zu drei Etagen. Auch für eine neue Schule, Kitas, ein Bürgerhaus und ein Pflegeheim sind Flächen vorgesehen. Für die Nahversorgung gibt es ein Quartierszentrum mit Läden, Praxen und Büros direkt am Bahnhofszugang, nördlich davon ein Parkhaus für Bahnnutzer. "Fast schon eine Kleinstadt", so Tausch. "Wichtig ist eine soziale Durchmischung."

Planer Peter Tausch (Foto: Niels P. Joergensen)

Was auf dem Papier funktioniert, könnte in der Praxis noch zu dem einen oder anderen Problem führen, das ist allen bewusst. Denn die Verkehrsbelastung rund um das neue Wohnviertel erweist sich als weiteres Aufgabenfeld. Durchgangsverkehr im Quartier gelte es zu verhindern, betont Planer Tausch. Verkehrsberuhigte Straßen im Viertel, Quartiersgaragen für Bewohner, die am Rand der Siedlungen liegen und eine öffentliche Parkgarage für Pendler sind geplant. Das könnte nicht reichen, fürchten einige Bürger. Wie wird die Zufahrt zum künftigen Parkhaus von der Schleißheimer Straße aus funktionieren, die schon stark belastetet ist? Wie soll die Warenanlieferung zu den Geschäften im Nahversorgungszentrum laufen? Wo parken Bürger, die in den Läden am Bahnhof einkaufen möchten? Werden die Quartiersgaragen bequem nutzbar sein und angenommen werden? Diese Fragen beschäftigen die Bürger in der Diskussion.

Tatsächlich ist die Verkehrsbelastung ein Knackpunkt in der Planung. 3000 Fahrten zusätzlich hat Verkehrsplaner Christian Fahnberg errechnet und rät dringend zu einer neuen Erschließung südlich der Geschwister-Scholl-Straße. Aber der Fachmann stellte auch klar, dass das geplante Wohnviertel direkt am Bahnhof ideal situiert ist. "Diese Bebauung würde an jeder anderen Stelle in der Stadt zu deutlich mehr zusätzlichem Verkehr führen." Dennoch braucht es für Augustenfeld-Nord entlastende Konzepte, das ist Konsens. Eine Option heißt autofreies Wohnen. "Direkt am Bahnhof lässt sich vielleicht schon auf ein Auto verzichten", erklärte der Oberbürgermeister. Und plädierte überzeugt für ein Umdenken. "Wenn wir weiter Stellplätze nach dem Bedarf planen, werden wir irgendwann nur noch parken und nicht mehr wohnen." Zudem erzeugten Parkplätze auch Verkehr. Also gelte es, neue Mobilitätskonzepte zu entwickeln. "Anders werden wir die Verkehrsprobleme nie in den Griff bekommen." Genau deshalb wird das Stadtbauamt nun ein Mobilitätskonzept entwickeln. Nicht theoretische Visionen, sondern praxiserprobte Instrumente will Bauamtsleiter Michael Simon den Stadträten schon bald präsentieren.

Tatsächlich sind mit dem Rahmenplan nicht alle Fragen beantwortet, manche Details werden erst in der Bauplanung geklärt. Aber dass jetzt erstmals konkrete Vorgaben auf dem Papier stehen, ist ein Fortschritt. Und ein Verdienst der engagierten Bürger, sind sich Bauamtsleiter und Oberbürgermeister einig. Denn bereits 1990 ging der Entwurf von Planer Peter Tausch als Sieger hervor in einem städtebaulichen Wettbewerb. Seitdem ging nichts voran. Teilpläne scheiterten an unterschiedlichen Interessen, erinnerte Bauamtsleiter Simon. Erst ein Neustart 2015, explizit mit koordinierter Bürgerbeteiligung, zeitigt nun ein Ergebnis. "In diesen zwei Jahren wurde mehr erreicht als in den 25 Jahren davor." Natürlich findet sich nicht jede Anregung, jeder Vorschlag, jede Idee aus der Bevölkerung im Konzept. "Aber insgesamt wurde der Plan auf Basis der Bürgeranregungen entwickelt." Stimmt, sagt ein Anwohner, der von Anfang an dabei war und nun vor den Schautafeln mit einem Nachbarn diskutiert. "Unsere Vorschläge und Einwände wurden gehört und ernst genommen." Das "sehr gute Ergebnis" kann sich sehen lassen, lobt der Oberbürgermeister die Arbeit der beteiligten Bürger. "Was aus der Planung geworden ist, das ist Ihr Verdienst."

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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