Neues Gremium gegründet:Die Brückenbauer

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Ahmad Navid, einer von zwei Sprechern des neuen Integrationsbeirates. (Foto: Niels P. Joergensen)

Wie die Mitglieder des neuen Integrationsbeirates versuchen, Vorurteile gegenüber fremden Kulturen abzubauen

Von Marie Groppenbächer, Dachau

Ahmad Navid hat einen Traum: "Irgendwann nicht mehr über Integration sprechen zu müssen." Doch bis dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist es noch ein langer Weg. Erst einmal muss nämlich über Integration gesprochen werden. Das wurde lange Zeit versäumt. Aus diesem Grund hat der Landkreis vor Kurzem einen Asyl- und Integrationsbeirat gegründet. In den meisten bayrischen Städten haben sich bereits solche Gremien konstituiert. Nun auch in Dachau. "Besser spät als nie", freut sich Ahmad Navid. Der Bauingenieur und die Diplom-Soziologin Hale Eren-Khaki wurden bei der zweiten Sitzung des Beirats, am 5. Juli, zu dessen Sprechern gewählt.

Der Beirat besteht aus 21 Mitgliedern, die sich aus drei Gruppen gleichermaßen zusammen setzen. Zur ersten Gruppe zählen Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Landkreis, ein anerkannter Asylbewerber und ein Asylbewerber im laufenden Asylverfahren. Die zweite Gruppe besteht aus Vertretern relevanter Fachstellen, Behörden und Initiativen, wie das Jobcenter oder der Asylhelferkreis. Die dritte Gruppe setzt sich aus politischen Verantwortungsträgern zusammen. Mitglieder des Beirates sind Landrat Stefan Löwl , Bürgermeisterobmann Stefan Kolbe, die Kreisräte Sylvia Neumeier und Georg Weigl, der Dachauer Stadtrat und Integrationsreferent Horst Ullmann, Gemeinderätin Hiltraud Schmidt-Kroll aus Karlsfeld und Gemeinderätin Andrea Neumann aus Weichs.

Die beiden neu gewählten Sprecher gehören der ersten Gruppe an. Hale Eren-Khaki ist gebürtige Dachauerin mit türkischen Wurzeln. Ahmad Navid kam 2015 als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland. Er weiß genau, wo die Probleme bei der Integration liegen. Nicht nur am eigenen Leib, auch als Begleiter und Betreuer bekommt er täglich mit, was schlecht funktioniert. Als besonders verbesserungswürdig erachtet er die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Behörden und Organisatoren.

Der studierte Bauingenieur arbeitet seit 2017 für das Projekt "Integration mit Augenmaß" und hilft, wo er kann. Vor Kurzem begleitete er einen Asylbewerber im laufenden Verfahren als Dolmetscher zu dessen Anwalt. Die Anhörung stand kurz bevor. Dem Flüchtling war der Rechtsanwalt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugewiesen worden. Der Helferkreis Asyl Dachau organisierte das Treffen zwischen Jurist und Antragssteller - eine Woche vor Anhörung. Wenig Zeit für den Anwalt, sich angemessen auf die Verhandlung vorzubereiten. Hätten das BAMF und der Helferkreis einen regen Austausch, hätte das Treffen viel eher stattfinden können, bemängelt Ahmad Navid.

Häufig gibt es in städtischen Regionen mehr Asylhelfer als auf dem Land. Ein Austausch findet aufgrund fehlender Kommunikation jedoch nicht statt. Genau da soll der Asyl- und Integrationsbeirat nach Ahmad Navids Meinung ansetzen. Die Vernetzung von Integrationsakteuren würde die Arbeit viel produktiver machen und dazu beitragen, dass mehr Menschen eine Perspektive erhalten, sagt er. Ein weiteres Ziel des Beirates ist, Partizipation im Landkreis zu fördern. "Mit Isolation gelingt keine Integration", sagt Ahmad Navid. Wer sich nicht zugehörig fühle, fühle sich nicht wohl. Jedoch könne die Eingliederung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht einseitig passieren. "Es müssen sich nicht nur die Menschen mit Migrationshintergrund integrieren. Damit das funktioniert, müssen sich auch die Einheimischen einbringen." Seine Kollegin, Hale Eren-Khaki stimmt ihm zu: "Kulturelle Gewohnheiten des jeweils anderen müssen auch Einheimischen beigebracht werden. Nur so können Berührungsängste überwunden und Brücken gebaut werden".

Weitere Themenschwerpunkte sind die Ausbildungsförderung, das Transparentmachen von Aktivitäten im Landkreis, die Hilfeleistung und Orientierung für alltägliche Dinge des Lebens und die Vergabe eines Integrationspreises über 500 Euro an eine Projektgruppe. Aus eigener Erfahrung weiß Ahmad Navid, wie essenziell Ausbildung und Beruf für eine gelungene Integration sind. Er kam 2015 nach Deutschland, lernte die Sprache, erlangte einen Universitätsabschluss, arbeitet heute als Ingenieur bei einer deutschen Firma und ist Sprecher eines politischen Gremiums. Er hat sich bestens integriert. Dennoch kennt er auch Situationen, in denen er sich trotzdem nicht akzeptiert fühlt. Und was momentan auf politischer Ebene diskutiert werde, mache alles nur noch schlimmer, befürchtet er. Da rückt sein Traum in weite Ferne.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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