Neuer Ehrenbürger in Hebertshausen:Ein Leben für andere

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Norbert Göttler, Angelika Eisenmann, Thomas Schlichenmayer, Marie-Luise Ksionzek, Norbert Hechtl und Richard Reischl (von links) beim Festakt zur Ernennung des 1972 verstorbenen Hans Köchl als Ehrenbürger der Gemeinde. (Foto: Toni Heigl)

Gemeinde ernennt mit Hans Köchl einen "ganz besonderen Menschen" posthum zum Ehrenbürger

Von Petra Schafflik, Hebertshausen

In einem feierlichen Festakt hat die Gemeinde Hebertshausen jetzt Hans Köchl posthum zum Ehrenbürger ernannt. Wenn diese Würdigung an sich schon etwas ganz Besonders ist, so erweist sich die Ehrung des bereits 1972 verstorbenen Prittlbachers noch um einiges außergewöhnlicher. Denn ausgezeichnet wird ein Mann, der in der NS-Zeit selbstlos und unter Lebensgefahr menschlich handelte und darüber hinaus Zeit seines Lebens ein Zeichen setzte für Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft. Und daher ein Vorbild sein kann in Zeiten in denen europaweit "die Sympathie steigt für nationale Parteien und Verbände", so Bürgermeister Richard Reischl (CSU).

Das Wirken von Köchl wurde erst vor kurzem durch die Nachforschungen der Ampermochinger Laienhistoriker Angelika Eisenmann und Thomas Schlichenmeyer bekannt. Mit der Ehrenbürgerwürde zeichnet die Gemeinde Hans Köchl deshalb nun aus "in Würdigung seiner außergewöhnlichen Menschlichkeit, seiner Selbstlosigkeit und Vorbildfunktion sowie seines mutigen, entschlossenen Widerstands gegen das NS-Regime", sagte Bürgermeister Reischl den im festlich geschmückten Sitzungssaal versammelten Festgästen, darunter Ehrenbürger und Altbürgermeister Hans Zigldrum, Gemeinderäte, Vertreter der Kirchen und Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler. Den Ehrenbürgerbrief für Köchl nahmen stellvertretend für die Nachkommen, von denen gut ein Dutzend Enkel und auch Urenkel im Saal waren, die beiden Pflegekinder Norbert Hechtl und Marie-Luise Ksionsek entgegen. Hechtl dankte im Namen der Familie, "dass unser Papa eine solche Ehrung bekommt, ohne die seine guten Taten vielleicht in Vergessenheit geraten wären."

Tatsächlich war bis vor kurzem noch kaum etwas bekannt über Hans Köchl. Eher zufällig wurden die beiden Hobbyhistoriker Angelika Eisenmann und Thomas Schlichenmeyer aufmerksam auf das Wirken des Prittlbachers in der NS-Zeit. In seiner beruflichen Funktion als Ortsdiener wurde Köchl damals zur Arbeit verpflichtet in dem Außenbereich des Konzentrationslagers, der als Plantage bezeichnet wird. Dort waren zu dieser Zeit neben Juden vor allem Priester zu mörderischer Zwangsarbeit eingeteilt, waren dort Quälereien und Terror der SS-Männer ausgesetzt. "Köchl fasste rasch den Entschluss zu helfen", so Geschichtsforscherin Eisenmann. Die Unterstützung geschah unter Lebensgefahr. Gesprochen habe Köchl über sein Tun deshalb nicht, selbst später nicht. Auch in der Nachkriegszeit engagierte sich Köchl weiter für seine Mitmenschen. Gemeinsam mit seiner Frau Maria zog er mit der eigenen Tochter noch elf Pflegekinder auf, organisierte die Schulspeisung in Prittlbach, unterstütze Mitbürger bei Anträgen an Behörden, war immer hilfsbereit zur Stelle. "Ein besonderer Mensch, der nicht weggesehen hat, als Unrecht geschah, sondern nach seinem Gewissen handelte, immer den Menschen im Blick". Damit erweise sich Hans Köchl als "Vorbild für Zivilcourage", betonte Eisenmann. Bei ihren Forschungen sind die Hobbyhistoriker auf weitere Hebertshausener gestoßen, die in der NS-Zeit engagiert geholfen haben, wie Schlichenmeyer berichtete. Darunter Maria Seidenberger, die von der Stadt Dachau 2005 mit dem damals neu geschaffen Preis für Zivilcourage ausgezeichnet wurde. Auch ihre Heimatgemeinde könnte über eine Ehrung für Seidenberger nachdenken, regte Schlichenmeyer an.

Die Forschungen von Eisenmann und Schlichenmeyer, "Heimatpflege der ersten Riege", zeige eindrücklich, dass Heimat "nie nur Idylle" gewesen sei, sondern immer nur verstehbar mit schwierigen Aspekten und Schattenseiten, betonte Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, der selbst im Hebertshausener Ortsteil Walpertshofen lebt. Von der Vergangenheit und dem vorbildlichen Wirken des Hans Köchl richtete Bürgermeister Reischl den Blick auch in eine Gegenwart, in der er sich Sorgen mache "über die Entwicklung unserer Gesellschaft." Umso wichtiger sei es, aus dem Leben von Hans Köchl zu lernen, sein Wirken in Erinnerung zu halten, "damit es viele Nachahmer findet". Denn nicht nur sein Mut gegen das NS-Regime sei hervorzuheben, sondern auch sein Blick aufs Leben, seine Haltung, nicht auf sich zu schauen, sondern zuerst auf andere. Die Gemeinde Hebertshausen ehre Köchl deshalb nun für "sein Wirken, sein Leben, seine Einstellung, seinen Mut, seine Vorbildfunktion".

Den Ehrenbürgerbrief nahmen Norbert Hechtl und Marie-Luise Ksionsek gerührt und stolz entgegen. Ihr Vater sei ein Mann gewesen, der seine Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe auch in der Familie gelebt und weitergegeben habe, sagte Hechtl im Gespräch. Die Familie übergab der Gemeinde das Ritterkreuz des päpstlichen Silvesterordens, den Köchl bereits 1967 erhalten hat. Gemeinsam mit der Originalurkunde zum Orden, die kürzlich wieder aufgetaucht ist, soll diese Plakette im Dorfgemeinschaftshaus in Prittlbach ausgestellt werden, das gerade geplant wird und nach dem Beschluss des Gemeinderats nach Hans Köchl benannt wird.

Eine Würdigung, die bei allem Stolz über die Ehrenbürgerwürde, die Familie zudem noch ganz besonders rührt und freut, betont Hechtl. Denn so ein Haus sei bleibend und im Dorf präsent. "Die Prittlbacher gehen in Zukunft dann ins Hans-Köchl-Haus."

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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