Neue Regelung:So eine Zettelwirtschaft

Lesezeit: 3 min

Wollen Sie den Beleg mitnehmen - oder wie es jüngst eine Verkäuferin in Neumarkt-Sankt Veit formulierte: "An Zedl?" (Foto: Niels P. Joergensen)

Seit Jahresbeginn müssen Läden dem Kunden einen Kassenbon ausstellen, auch wenn er nur eine Breze beim Bäcker kauft. Die Maßnahme soll Steuerbetrug verhindern, doch die Einzelhändler im Landkreis Dachau sehen darin reine Schikane.

Von Julia Putzger, Dachau

Entnervtes Augenrollen, das scheint die häufigste Reaktion auf das zu sein, was seit Jahresbeginn vor allem Bäckereien, aber auch andere Läden in ganz Deutschland plagt: die Pflicht zum Kassenbon, offiziell Belegausgabepflicht genannt. In den sozialen Netzwerken haben viele Menschen ihrem Ärger über die neue Verordnung bereits Luft gemacht und Bilder von Kassenbons, die sich von der Kasse direkt in den Abfalleimer kringeln, gepostet - denn kaum ein Kunde nimmt seinen Beleg zum Beispiel beim Bäcker mit. Derartige Szenen sind auch in Dachau zu beobachten. Kaum jemand kann der Bonpflicht etwas Positives abgewinnen.

Hauptkritikpunkt an der Neuregelung ist die Umweltverträglichkeit: "Sonst will man immer mehr Ökologie, aber mit so einer Maßnahme arbeitet man vollkommen dagegen", klagt Veronika Bahn, Verkäuferin in der Dachauer Filiale der Biobäckerei Gürtner. Um der ökologischen Verantwortung gerecht zu werden, die sich die Bäckerei auf die Fahnen schreibt, sieht man sich bei Gürtner nun nach ökologischen Belegrollen um. "Die sind aber wesentlich teurer", erklärt Verkäuferin Bahn.

Hintergrund ist, dass Kassenzettel nicht im Altpapier entsorgt werden dürfen, weil sie zumeist auf Thermopapier gedruckt werden, das mit der fortpflanzungsschädlichen Chemikalie Bisphenol A beschichtet ist. Landen Kassenbons im Altpapier, kann der Stoff durch den Recycling-Zyklus schließlich auch die Umwelt belasten. Viele Kunden, aber auch Unternehmen, die sich über die zusätzliche Müllproduktion ärgern, rufen darum online dazu auf, Bons zu sammeln und an das Finanzministerium in Berlin zu schicken - dieses solle sich dann um die fachgerechte Entsorgung kümmern.

Dabei müssen die Kassenbons per Gesetz nicht unbedingt in Papierform ausgedruckt werden, sondern können auch elektronisch ausgestellt werden und dem Kunden per App oder E-Mail übermittelt werden. Mehrere Unternehmen bieten solche Technologien an, doch bisher kommen sie in nur wenigen Geschäften zur Anwendung. Zum Beispiel bei Rewe. Dort kann man sich als Inhaber einer Payback-Karte für den sogenannten E-Bon registrieren. Die Dachauer Kleinunternehmer, wie etwa der Gartenbauer Rudolf Kilmarx, halten das aber für wenig praktikabel: "Das ist viel zu aufwendig und umständlich", findet er.

So zeigen die Verkäufer in der Filiale der Bäckerei Wörmann in der Altstadt stattdessen auf volle Müllsäcke. Sie schätzen, dass nur rund drei Prozent der Kunden tatsächlich nach einem Beleg verlangen. Und das nichts mit Unwissenheit zu tun. Nahezu jeder spreche die Verkäufer derzeit auf die Belegpflicht an. Berechnungen des wissenschaftlichen Instituts des Handels EHI in Köln zufolge werden künftig mehr als zwei Millionen Kilometer Bon-Papier zusätzlich verbraucht - das dafür benötigte Material entspreche einer gefällten 25 Meter hohen Fichte - pro Stunde.

Das Bundesfinanzministerium erhofft sich durch diese Maßnahme zusätzliche Transparenz im Kampf gegen Steuerbetrug, auch weil auf den Bons neuerdings zusätzliche Informationen zum Geschäftsvorgang vermerkt sein müssen. Wer gegen die Belegausgabepflicht verstößt, muss vorerst trotzdem keine Konsequenzen befürchten: Es droht kein Bußgeld, ein Verstoß "könnte aber als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde", heißt es auf der Website des Bundesfinanzministeriums. Auch der Kunde ist, anders als beispielsweise in Italien, nicht verpflichtet, den Kassenbeleg mitzunehmen oder vorzuweisen.

Die Betroffenen im Landkreis zeigen sich verständnislos: Die Verkäufer in der Bäckerei Wörmann erklären, dass man in einem Betrieb wie dem ihren sowieso keine Steuer hinterziehen könne, da allein über die Menge der Rohstoffe überprüfbar sei, ob alles korrekt zugehe. Auch Veronika Bahn von der Bäckerei Gürtner sagt, dass aufgrund neuer Regelungen erst im vergangenen Jahr die Umstellung auf eine manipulationssichere Kasse notwendig gewesen sei, Tricksereien also ohnehin nicht möglich seien. Kilmarx bestätigt ebenfalls, dass die Kasse, die er benutzt, alle für das Finanzamt notwendigen Daten speichert - auch ohne den zusätzlichen Ausdruck eines Bons. "Im Endeffekt ist das für mich nur ein Mehraufwand an Zeit, Müll und Kosten. Und draufzahlen muss dann wie immer der Verbraucher." 100 Belegrollen, die Kilmarx bisher für ungefähr ein Jahr ausreichten, kosten ihn immerhin zwischen 80 und 100 Euro, sagt er. Andererseits werden dem Staat durch Steuerbetrug mit manipulierten Kassen jährlich zweistellige Milliardenbeträge unterschlagen. "Aber betrogen wird man ja sowieso überall", meint ein Gast in der Bäckerei Gürtner - die Bonpflicht beurteilt er deshalb, wie auch die Verkäuferinnen bei Wörmann, Gürtner und Gartenbauer Kilmarx, als sinnlos.

Andere hingegen sehen die neue Verordnung gelassener. Für Gartenbauerin Marianne Haupt bedeutet die Belegpflicht in der Praxis keine Veränderung: "Unsere Kunden bekommen schon immer einen Bon." Selbiges ist in der Dachauer Metzgerei von Rudolf Helfer der Fall. Wie auch schon in der Vergangenheit lassen diejenigen, die ihren Bon nicht haben wollen, einfach zurück. Helfer sagt: "Das war immer schon so."

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: