Muttertag:Die Mama im Dilemma

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Auch wenn viele Frauen den Muttertag heutzutage nicht mehr zeitgemäß finden - über selbstgebastelte Geschenke freuen sie sich dennoch

Von Susanne Schröder-Bergen, Dachau

Wenn man in diesen Wochen offenen Auges durch die Einkaufsstraßen schlendert, kann man eines an den Auslagen der Ladengeschäfte nicht übersehen: "Bald ist Muttertag!" Fast könnten man annehmen, die Einzelhändler hätten Angst, dass Kinder ihre Mütter vergessen könnten. Dabei geht es ihnen vermutlich einzig um ein gutes Geschäft. Jedes Jahr, am zweiten Sonntag im Mai, beschenken Kinder ihre Mütter mit Blumen und selbst gemalten Bildern und decken den Frühstückstisch.

Die Idee Muttertag zu feiern stammt von einer Methodistin aus den USA, der es in erster Linie um das Ehren der Mutter ging. Erst seit dem Jahr 1926 wird der Tag in Deutschland gefeiert; er ist auch kein gesetzlicher Feiertag, trotzdem ist es üblich an diesem Tag seiner Mutter zu zeigen, dass man sie schätzt.

Es gibt aber auch Stimmen, die den Muttertag kritisch sehen. Ihr Argument: Der Muttertag passt nicht zur modernen Rolle der Frau und Mutter. Stimmt das? Ist der Muttertag heute noch zeitgemäß?

Für die Pfarrerin Christiane Döring aus Röhrmoos, die drei Kinder im schulpflichtigen Alter hat, ist der Muttertag persönlich nicht so wichtig: "Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, mit seinen Kindern eine schöne Zeit zu verbringen. Jeder Tag hat die Chance, ein solcher zu werden." Allerdings, wenn sie an das vierte Gebot in der Bibel denkt, sei der Muttertag doch eine gute Gelegenheit, an die Eltern zu denken. "Du sollst Vater und Mutter ehren." Dieses Gebot sei früher die Sozialversicherung für die Alten gewesen. Die erwachsenen Kinder trugen Sorge für ihre alten Eltern.

Mit dem Muttertag wird traditionell die Rolle der Mutter bei der Kindererziehung gewürdigt. Diese hat sich in modernen Familien gewandelt. Heute ist es einfacher, für sein Kind eine Betreuungsmöglichkeit zu bekommen, im Jahr 2013 wurde dies gesetzlich für alle Kinder von der Vollendung des ersten Lebensjahres an verankert. Auch Väter nehmen heute eine aktivere Rolle im Familiengeschehen ein. Viele nutzen die Möglichkeit, sich in der Elternzeit um den Nachwuchs zu kümmern. All dies erleichtert es den jungen Müttern, schnell wieder in den Beruf zurückzukehren, wenn sie das wollen. Individuell löst jede Familie dieses Thema anders, dabei treffen immer noch alte und neue Wertvorstellungen zusammen.

So stellt Annerose Stanglmayr, Leiterin des Dachauer Forums, fest, dass heutzutage Mütter eher "von der Gesellschaft geächtet" werden, wenn sie die ersten Jahre daheim bleiben und sich für die Kindererziehung entscheiden. Als sich Stanglmayr vor 25 Jahren dazu entschied, sechs Jahre daheim zu bleiben, um ihre Kinder großzuziehen, war die Situation noch eine andere. Man galt als "Rabenmutter", wenn man gleich nach dem Mutterschutz wieder arbeiten ging.

Die junge Mutter steckt laut Annerose Stanglmayr in einem Dilemma. Sie macht beruflich Karriere, befindet sich auf der "Überholspur des Lebens". Gleichzeitig möchte sie für ihre Kinder da sein. Entschließt sie sich, ihren Beruf direkt weiterzuführen, leidet sie automatisch unter einer "Doppelbelastung", sagt Stanglmayr.

Das sieht auch die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Dachau und heutige dritte Bürgermeisterin von Dachau Gertrud Schmidt-Podolsky so. Es sei kein Wunder, dass sich Frauen durch die ungeregelten Arbeitszeiten, die oft nur befristeten Arbeitsverträge und die vielen Praktika, immer später dazu entschließen, Kinder zu haben.

In den 1970er Jahren, als sie ihre Tochter bekam, mussten sie und ihr Mann sich "arrangieren": Ihre Tochter kam früh in einen Kindergarten mit flexiblen Zeiten, sie wohnte nur drei Minuten von ihrer Arbeit entfernt, und ihr Mann unterstützte sie in ihrer beruflichen und politischen Karriere. Aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen trieb Schmidt-Podolsky zusammen mit vielen Mitstreiterinnen den Ausbau der Kinderbetreuung voran. Die Situation habe sich seither verbessert, aber es gibt in ihren Augen noch viel zu tun: Auch kleine Betriebe müssten ihren Mitarbeitern mehr anbieten. Und Home Office solle weiter gefördert werden. Das gelte für Mütter und genauso wie für Väter.

Ist der Muttertag nun doch zeitgemäß? Über selbstgebastelte Geschenke freuen sich alle befragten Mütter. Und Gertrud Schmidt-Podolsky genießt das gemeinsame Essen mit der Familie. Wichtig ist den Müttern aber, daran zu erinnern, dass sie sich das ganze Jahr um ihre Kinder kümmern. Deshalb sollte man, wie es Schmidt-Podolsky formuliert, "die Mutter auch das ganze Jahr in Ehren halten".

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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