Musikworkshop:Kostbarkeiten

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Erstmals bei den Meisterkonzerten zum Europäischen Musikworkshop dabei: Violinist Sebastian Caspar begleitet von Organisator Markus Kreul am Flügel. (Foto: Toni Heigl)

Das überraschende Programm mit vielen Entdeckungen begeistert das Publikum des Meisterkonzerts zum Europäischen Musikworkshop im Dachauer Thoma-Haus. Die Teilnehmer zeigen sich vom Unterricht begeistert

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Joseph Haydns "schottische Volkslieder" haben mit traditioneller volkstümlicher Musik nicht viel gemein. Denn als Auftragswerke musste er hohe Ansprüche erfüllen. Eigentlich sind sie Kammermusik für die gehobene Unterhaltung. Daran erfreute sich das Publikum beim Meisterkonzert des Europäischen Musikworkshops im Dachauer Ludwig-Thoma-Haus.

Halb Altomünster, wo sich die internationale Workshop-Reihe mit wachsender Schüler- und Dozentenzahl etabliert hat, war anwesend. Sandra Rieger aus Freising studiert an der Musikhochschule in München und nimmt zum siebten Mal teil. Die 22-jährige Geigerin musizierte zusammen mit ihren Lehrern in einem Stück von Sergei Prokofjew und sagt: "Der Unterricht ist hoch professionell und macht sehr viel Spaß. In Altomünster sind Freundschaften entstanden." Assistent und Violinist Sebastian Caspar schwärmt: "Jeder Workshop ist etwas Besonderes." Die lockere Stimmung war aus jedem Stück zu spüren.

Die abwechslungsreiche Programmauswahl mit Kompositionen, die selten aufgeführt werden, barg viele kurzweilige Überraschungen. Sopranistin Sibylla Rubens sang die zwölf schottischen Volkslieder von Haydn, alles Miniaturen, mit Ausgelassenheit und Charme. Ihre nachtblaue Samtrobe glitzerte dazu wie ein Sternenhimmel. Begleitet wurde sie von Markus Kreul am Klavier, Sebastian Caspar (Geige) und Guido Schiefen am Cello. Eine wahre Freude waren auch ihre "Drei Morgenstern-Lieder" in einer Vertonung von Mátyás Seiber aus dem Jahr 1929. Witzige Texte über die nächtliche Wanderung zweier Trichter, die Wichtigkeit eines Knies und das seltene Tier Nasobem werden von einer humorvollen Klarinettenmusik illustriert. Harald Harrers Klarinettenspiel begleitete die Sopranistin nicht nur, sondern verschränkte sich mit der Singstimme, trällerte, wanderte, hüpfte und flanierte, bis beide sich in die Höhe schraubten, ohne miteinander konkurrieren zu wollen.

Der Komponist und Pianist Sascha Janko Dragićević führte seine Komposition "Strom fliehender Zeiträume" fragil und durchsichtig auf wie dahinperlendes Wasser, das heftiger fließt und schließlich zum Strom anschwillt. Unberechenbare Wendungen und sich überschlagende Tonfolgen mündeten in einem Brummen, das sich in hell tropfenden Klängen auflöste.

Mit Louis Victor Saars Potpourri aus George Bizets "Carmen" setzte das Kammerorchester mit Raphael Gärtig (Flöte), David Frühwirth (Violine), Sebastian Caspar (Violine), Guido Schiefen (Cello) und Markus Kreul (Klavier) einen süffigen Akzent, bevor mit den beiden Fassungen von "Ganymed", einmal in einer Vertonung von Franz Schubert, ein zweites Mal von Hugo Wolff, ein Stimmungswechsel zum Ernsten hin einsetzte.

Sibylla Rubens interpretierte Goethes Ballade als Gegenüberstellung von zwei verschiedenen inneren Welten. Hier die gottgegebene, wonnige Schönheit der Natur, dort die psychologische Dimension mit allen Abgründen. Wunderbar war Max Bruchs jüdisches Gebet "Kol nidrei". Cellist Guido Schiefen, Professor an der Musikhochschule in Luzern weckte im Cello eine große emotionale Tiefe. Packend, pulsierend Ernest Blochs "Three Nocturnes".

Maximilian Breinich spielte den dritten Satz aus Olivier Messiaens "Quartett für das Ende der Zeit", komponiert 1940/41im Kriegsgefangenenlager, auf der Solo-Klarinette. Als gläubiger Katholik setzte Messiaen dem elenden Lageralltag transzendente, lichterfüllte Klänge entgegen, die Breinich in helle Triller münden ließ. Der "Abgrund der Vögel" beruht auf Motivläufen und Tonwiederholungen der Vogelstimmen im Lager. Als Breinich in lang gezogenen Linien die quälende Melancholie dieses Satzes auskostete, war die existenzielle Bedrohung körperlich zu spüren. Mit Sergei Prokofjews Ouvertüre über hebräische Themen für Klarinette, Streichquartett und Klavier löste sich die bedrohliche Stimmung in eine temperamentvolle Heiterkeit auf. Begeisterter Applaus.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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