Musikerziehung:Attacke Allegro furioso

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Wolfgang Greth plädiert für Musikschulen. (Foto: Schunk)

Wolfgang Greth, Sprecher der Bayerischen Musikschulen, kritisiert seine Kollegen im Landkreis

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Idee ist eine alte und bewährte: Streetworker suchen soziale Brennpunkte auf. Sie warten nicht, bis Menschen in Not sich an ihre Behörde wenden. Das Dachauer Kreisjugendamt hat beispielsweise ein Alarmsystem geschaffen, in dem Sozialpädagogen direkt an Schulen tätig sind, um Kindern und letztlich deren Familien zu helfen. Genau so würde der Musikpädagoge Wolfgang Greth im Landkreis Dachau gerne verfahren. Musiklehrer gehen in die Kindertagesstätten und in die Schulen, vor allem die Grundschulen hinein, um Kinder dort musikalisch zu erziehen. Denn die Entdeckung von Talenten muss früh beginnen. Wolfgang Greth leitet den Verband Bayerischer Musikschulen. Dieses Modell des mobilen Unterrichts bewährt sich in vielen Landkreisen. In Dachau hat es keine Chance.

Am Anfang hätte künftig ein elementarer Musikunterricht in Gruppen gestanden. Parallel dazu oder im Anschluss daran hätten sich die Kinder für ein Musikinstrument entscheiden können. Schließlich hätten sie gelernt, in Ensembles zu spielen und zu singen. Damit eine solche musische Erziehung funktioniert, engagiert der Musikschule-Verband entsprechend ausgebildete Lehrer, von denen die meisten eine Hochschulausbildung vorweisen. Außerdem ist mit dem Kultusministerium ein Lehrplan abgesprochen, der die Qualitätsstandards vorgibt. Sie werden vom Musikschulverband kontrolliert.

Aber die 17 Bürgermeister des Landkreises wollten Wolfgang Greth nicht einmal zu einem Vortrag einladen. Schul- und Kreisausschuss sind am Freitag ihrem einhelligen Votum gefolgt. Die Diskussion der Kreisräte verdeutlichte allerdings, dass ihre Vorstellung einer Musikschule ein Missverständnis ist. Bürgermeister-Obmann Stefan Kolbe (CSU) sprach beispielsweise von einem teuren Manager, den man anstellen müsste, um eine solche Institution zu führen. Schließlich sieht er keinen Bedarf, weil die meisten Gemeinden über Angebote verfügen, vornehmlich aus dem Bereich der Blasmusik, und von privaten Anbietern.

FDP-Kreisrat Jürgen Seidl sang ein Loblied auf Knabenkapelle und Stadtkapelle in Dachau. Deshalb hätten allenfalls Landgemeinden Nachholbedarf. Interessanterweise hatte die Landkreisverwaltung nach einem Vortrag von Wolfgang Greth ihre Meinung geändert: Sie sieht jetzt mit den Worten von Landrat Stefan Löwl (CSU) "in Teilbereichen einen quantitativen und qualitativen Bedarf". Eine Umfrage des Landratsamts bei den Musikvereinen und Musikschulen ergab allerdings ein klares und eindeutiges Bild: "Sie alle wollen eine Musikschule nicht."

Deswegen sagte Marese Hoffmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen: "Ich bedauere die Entscheidung sehr, weil nicht verstanden wurde, was eine Kreismusikschule bedeutet." Den Pädagogen im Landkreis Dachau, die sich gegen eine Musikschule ausgesprochen hatten, warf sie "falsch verstandenes Konkurrenzdenken" vor. Die Grünen hatten beantragt, eine Musikschule aufzubauen.

Womöglich liegt das Missverständnis in dem Begriff "Schule" begründet. Er suggeriert teure Gebäude und einen riesigen Verwaltungsappart, der sich über Gemeinden und Landkreis stülpt. Tatsächlich hatte Musikpädagoge Wolfgang Greth vorgeschlagen, dass einzelne Gemeinden gemeinsam mit seinem Verband ein jeweils passgenaues Modell entwickeln. An ihm hätten sich die Musiklehrer des Landkreises beteiligen können und sollen.

Vorausgesetzt, sie verfügen über die vom Kultusministerium geforderten Qualifikationen. Das Konzept der mobilen Musikschule hätte schließlich bis in die Gymnasien hineingetragen werden können. Deren Schüler stehen bekanntlich wegen der verkürzten Ausbildungszeit eh unter Druck. Da ist es besser, die Musiklehrer kommen zu ihnen an die Schule. Und wer Lust hat, bei der Knabenkapelle zu spielen oder bei einer privaten Musikschule, kann dies tun. Also keine Konkurrenz.

Nun hätte man erwartet, dass sich Wolfgang Greth über Bürgermeister und Kommunalpolitiker auslässt. Einigen ist die musische Erziehung wegen der finanziellen Lage der Gemeinden zu teuer, wie dem CSU-Fraktionssprecher im Kreistag, Wolfgang Offenbeck aus Karlsfeld. Aber im Gespräch mit der SZ nimmt Greth die Politik ausdrücklich und komplett in Schutz. Ihr Votum findet er verständlich, weil eine Musikschule in den einzelnen Gemeinden und schließlich im ganzen Landkreis nur gemeinsam mit den Musiklehrern und nicht gegen sie zu schaffen wäre. Greth sagt: "Ich greife die Musikpädagogen im Landkreis Dachau an. Sie haben nur ihr eigenes Wohl im Auge, aber nicht das der Kinder." Anders gesagt: Wenn sie an der bestmöglichen Ausbildung interessiert wären, würden sie sich an einer mobilen Musikschule beteiligen, die zu den Kindern geht. "So aber ist keine Basis für eine Musikschule vorhanden und dann keine Basis für eine öffentliche Förderung."

Der SPD-Landtagsabgeordnete, Bildungsexperte und Kreisrat Martin Güll schlug am Freitag einen Kompromiss vor. Anstatt den Grünen-Antrag abzulehnen, sollte er vertagt werden. Denn im November ist eine Bildungskonferenz für den Landkreis geplant. Dort könnte ausführlich und in aller Ruhe mit zahlreichen Experten darüber beraten werden. Schul- und Kreisausschuss lehnten auch diesen Vorstoß mit großer Mehrheit quer durch alle Fraktionen ab.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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