Musikergruppe:Genau der richtige Kitsch

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Conny und die Sonntagsfahrer lassen die Fünfziger Jahre wieder aufleben

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Es hätte eine kitschige, künstliche Inszenierung werden können: die Schlager der Fünfziger und Sechziger Jahre im Erchanasaal des Ludwig-Thoma-Hauses - dessen offenen, von Rohren geschmückten Decken genauso gut den Rahmen für futuristische Szenen bieten würden. Doch als "Freddie aus Berlin", gespielt von Steffen Zünkeler, am Donnerstagabend die Bühne betritt, hängt ihm das Publikum sofort an den Lippen, der Straßenmusikant steht mit zerrissenen Jeans vor dem vollen Saal - und lässt keine Sekunde Zweifel daran aufkommen, dass er sich dort wohlfühlen würde.

Freddy - und später auch die anderen Charaktere der Musikergruppe "Conny und die Sonntagsfahrer" - sprechen das Publikum während ihrer Aufführung direkt an, beziehen es mit ein in die Zeitreise, die sie im Thoma-Haus inszenieren. Gitarrist Rainer Heindl, im Stück Peter genannt, flirtet freudig mit dem weiblichen Publikum der ersten Reihe, während er Freddy Quinn mimt und mit tiefer Stimme "Die Gitarre und das Meer" anstimmt. Von Sängerin Conny erntet er dafür eifersüchtige Blicke, ein Schnaufen, wilde Gesten mit den Armen. Die anderen beiden Musiker, Freddy und Alexander (gespielt von Thomas Stoiber), tippen ihm wiederholt auf die Schulter, flüstern ihm zu, wollen seine Flirtversuche unterbinden. Das ist eine typische Szene für den Abend: Auf der Bühne ist immer etwas los, im Publikum schweift man nicht ab, denn selbst während der musikalischen Parts gibt es immer etwas Schauspiel zu sehen. Die vier Musiker schaffen es, das Publikum an sich zu binden, mit Gesten, Mimik und kleinen Querelen den Blick auf die Bühne zu locken. Stellen sie Fragen an das Publikum, antwortet es. Es singt sogar ein ganzes Lied laut mit, es klatscht, es schunkelt.

Das liegt auch daran, dass die Gruppe vollen Einsatz auf der Bühne zeigt: Sängerin Andrea Graf schwingt ihren pink geblümten Petticoat unermüdlich durch die Luft, sie reißt die Augen weit auf, unterstützt ihre Aussagen durch große Gesten - und verliert damit die Aufmerksamkeit des Publikums für keinen einzigen Moment. Setzen die Musiker zu den Schlagern von Peter Alexander oder Bill Ramsey an, stimmen die Zuhörer mit ein. "Das haben wir früher immer gehört", hört man eine Zuschauerin in der vorletzten Reihe begeistert tuscheln, bevor sie mit dem Kopf zu wippen beginnt.

Freddy soll als einziger der Musikgruppe gar nicht aus den Fünfziger Jahren stammen, sondern ist mit einer Zeitreise-App am Anfang der Aufführung dorthin zurückversetzt worden. An mancher Stelle verliert das Stück dadurch etwas von seinem eigentlichen Charme: Wenn Freddy sein Handy in die Runde zeigt und der Rest der Gruppe lacht, weil dieses Telefon ja gar keine Schnur hätte. Oder er sich fragt, ob es denn schon wieder "eine Währungsreform gegeben hat", als seine neuen Kollegen in Italien mit Lire statt Euro bezahlen. An diesen Stellen wirkt der Witz konstruiert - das Stück wäre auch ohne die vielen Vergleiche zwischen Smartphone- und Petticoat-Epoche gelungen.

Schließlich weckt das Stück vielmehr die Sehnsüchte der Fünfziger und Sechziger, der Aufbruchsstimmung, dem Wunsch nach Vergnügung und einem leichten Lebensstil. "Zwei kleine Italiener, die träumen von Napoli", singt Conny, bevor sich die Vier in dem Stück gemeinsam nach Italien aufmachen. Oder: Conny - rasend vor Eifersucht, als Gitarrist Peter zu erneuten Flirtversuchen ansetzt - singt mit einer rauen Stimme: "Ich will keine Schokolade! Ich will lieber einen Mann." Woraufhin Peter kurz darauf singend antwortet: "Für Conny tu' ich alles!" Und damit das kleine Liebesdrama auf der Bühne erneut entfacht.

Der Technik hinter der Bühne gelingt es, den romantisch-komischen Stil des Stücks aufzufangen: Während Freddys Zeitreise gibt es einen schnellen Wechsel von Licht und Ton, man wird merklich in eine andere Zeit versetzt. Und als später Gitarrist Peter alleine auf der Bühne steht, von einem Scheinwerfer angestrahlt wird und "Mandolinen und Mondschein" von Peter Alexander singt, projiziert man hinter ihn einen leuchtenden Vollmond. Etwas kitschig, etwas künstlich - und trotzdem genau richtig

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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