Musicalabend in Bergkirchen:Baggern und Staubsaugen

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Zwischen den Freundinnen Hannah (Jessica Dauser) und Sarah (Julia Soyer) fliegen die Fetzen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie zwei Frauen versuchen, aus dem Single-Dasein auszubrechen

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Ein verbales Gewitter reinigt die Luft - auch in einer Beziehung. Sagt man. Was aber ist, wenn zwei völlig unterschiedliche Charaktere sich (wohnungs-)notgedrungen eine winzige Einzimmerwohnung teilen müssen? Das ließ sich am Samstagabend im Hoftheater Bergkirchen bei einem Musicalabend mit dem vielversprechenden Titel "Zweisam/Einsam" beobachten. Autor und Regisseur war Sascha Fersch, für die musikalische Leitung war Stefan Delanoff am Flügel zuständig, gesungen, getanzt und gespielt haben Julia Soyer und Jessica Dauer.

Das Quartett kennt sich seit gemeinsamen Studienzeiten an der Abraxas-Musical-Akademie und ist derzeit mit "Zweisam/Einsam" auf Tournee. Fersch, "eigentlich eher im Sprechtheater zu Hause", wie er der SZ Dachau sagte, wollte eine "intime Geschichte mit authentischen Figuren" auf die Bühne bringen. Das ist ihm bei aller Überzeichnung über weite Strecken gelungen. Wirken die beiden jungen Frauen in der nicht ganz freiwilligen Wohngemeinschaft zunächst wie Klons allseits bekannter Prototypen aus diversen Sitcoms, so entwickeln sie nach und nach ganz eigene Persönlichkeiten. Jessica Dauer, derzeit auch in der Hoftheater-Revue "In der Milchbar ist was los" zu sehen, ist das instagram-taugliche, männersüchtige Blondchen Sarah: perfekt geschminkt, im Tigermuster-Volant-Kleidchen und mit Mörder-High Heels an den Füßen. Ihre Mitbewohnerin - und wie sich nur allzu bald zeigen soll - ehemals beste Freundin Hannah (Julia Soyer) bevorzugt Schlabber-Look in tristen Grautönen, bequeme Puschen und statt Haarföhn, der eine nicht zu unterschätzende Nebenrolle spielt, den Ministaubsauger. Mit dem bekämpft sie fast manisch jedes Fitzelchen und vor allem jedes Haar auf den als multifunktionale Requisite dienenden Umzugskartons und auf der vereinsamten Grünpflanze. Außer der Kleinstwohnung teilen sich die beiden jungen den Frust über nicht vorhandene Berufschancen und das ewige Single-Dasein.

Während Hannah zunehmend verbiestert durchs Dasein schlurft und das mit jeder Faser ihres Körpers überdeutlich signalisiert, macht Sarah einen auf Vamp und baggert den neuen Nachbarn, einen jungen Pianisten (Stefan Delanoff), heftigst an. Schließlich gilt es, eine frauenspezifische Wette zu gewinnen: "Wer ihn zuerst ins Bett bekommt, muss einen Monat lang nicht putzen." Und Hannah? Stellt in einem Moment der Selbsterkenntnis fest: "Mein Körper und ich sind kein gutes Team" oder anders gesagt: Sie findet sich grässlich und, damit nicht genug, gleich die ganze Welt.

Sarahs Anmache geht schief, der Typ schläft einfach ein. Geht gar nicht. "Was denken sich Männer eigentlich?", fragt sie. Die spontane Antwort kommt aus dem Publikum: "Nix."

Auf der Bühne werden die Streitereien der Frauen heftiger, bösartiger, verletzender. Die Zicken entpuppen sich als zerbrechliche und fast zerbrochene Wesen. Wie sie sich aus dem Gefühlssumpf befreien, in den sie sich gegenseitig hineingetrieben haben, ist sehens- und da mit etlichen Musical-Melodien garniert - genauso hörenswert. Dass das vorhersehbare Happy End im Hohen Lied der Freundschaft mündet, das einem Beziehungsratgeber entsprungen sein könnte ("Du warst da, darum hab' ich mich verändert" oder "Weil wir uns kannten, bin ich heute, wie ich bin"): geschenkt. Das Quartett hat Spaß am Spiel mit Worten und Tönen, das kommt beim begeisterten Publikum gut an. Denn, um es mit Loriot zu sagen, dem unübertrefflichen Altmeister feinen Humors: Ein Leben ohne beste Freundin oder besten Freund ist zwar möglich, aber sinnlos.

Eine weitere Vorstellung von "Zweisam/Einsam" ist in zwei Monaten noch einmal, am Mittwoch, 20. November, um 20 Uhr im Hoftheater zu sehen.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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