Mitten in Erdweg:Heißer Stoff

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Warum die Gemeinde Erdweg das Zentrum des Buddhismus ist und eine Zusammenlegung von Friedhöfen einen Totengräber in Bedrängnis bringt. Eine typisch bayerische Geschichte

Kolumne von Thomas Radlmaier

Vor dem Hintergrund der umstrittenen Friedhofszusammenlegung stellt der Pfarrer die Frau des Totengräbers zur Rede. Der Geistliche hat in der Küche der Familie des Bestatters eine Buddha-Statue gefunden, welche die Frau hinter einem Vorhang zwischen zwei Herrgottswinkeln versteckt hat. Für den Pfarrer ist das Blasphemie. Er ist traurig, schockiert und sauer zugleich. Er fühlt sich stellvertretend für Gott hintergangen. Sie brauche es gar nicht zu leugnen, sagt der Pfarrer zur Frau des Totengräbers und bekreuzigt sich. Er sei ihr gefolgt, als sie letztens am Sonntag nach dem Gottesdienst mit dem Auto davongerauscht sei. "Du bist nach Erdweg gefahren! In das Zentrum des Buddhismus." Willkommen im Wirtshaus am Münchner Schlachthof. An diesem Abend stehen drei Schauspieler des Fastfood-Theaters auf der Bühne und improvisieren. Beim "Volksimpro" mischt das Ensemble zwei Theatergattungen: bayerisches Volkstheater und Improvisationstheater. Das heißt, nur das Setting bestehend aus der bayerischen Lebenswelt ist vorgeben. Die Geschichten denken sich die Schauspieler spontan aus und holen sich dafür Anregungen aus dem Publikum. Sie fragen zum Beispiel, wer im Saal aus einem typischen bayerischen Dorf komme? Und an diesem Punkt spielt die Gemeinde Erdweg zumindest eine Nebenrolle auf der Bühne.

Eine Frau meldet sich und sagt, sie und ihre Freunde leben in Erdweg. Wo? Erdweg, bei Dachau, sagt sie. Es gebe dort 13 Vereine und sie sei quasi bei jedem Mitglied. Das gefällt den Schauspielern. Was denn in einem Dorf wie Erdweg ein heikles Thema sein könnte, wollen sie wissen. Von hinten schreit eine andere Frau, die wohl nicht aus Erdweg kommt: "Friedhofszusammenlegung". Was für ein Wort und was für ein heißer Stoff für eine Theaterstück!

Es geht los. Der Totengräber hat Angst, dass er bald arbeitslos sein könnte. Schließlich braucht die Gemeinde bei einem Friedhof nur noch einen Totengräber. Der Pfarrer dagegen ist dafür, weil er dann weniger zu tun hätte. Außerdem sterbe heutzutage ja eh keiner mehr, sagt er. Und da ist die Frau des Totengräbers, die mit dem Pfarrer anbandelt, aber eine Glaubensaffäre mit dem Buddhismus hat. Und deshalb nach Erdweg fährt. Wieso um Himmelswillen sie ihm da oben das denn antue?, will der Pfarrer wissen. Die Frau räumt ein, dem heiligen Vater fremdzugehen. Sie habe in Erdweg einen neuen Gott kennengelernt, der sie besser verstehe, sagt sie, und schenkt sich einen Obstler in ein Stamperl ein. Dann endet die Szene.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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