MITTEN IN DACHAU:Wertvolle Gaben

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Von Helmut Zeller

Die einen schenken Zeit, das soll Umfragen zufolge inzwischen das ultimative Geschenk sein - in der Form eines Gutscheins für eine exotische Reise oder ein romantisches Dinner. Die anderen stöbern online nach dem besten Weihnachtsgeschäft - "kostenloser Versand bis 24. Dezember" - und machen den Paketausträgern die staade Zeit zur Hölle, wieder andere klappern in altbewährter Manier Kaufhäuser und Boutiquen ab. Ludwig Schmidinger, Pastoralreferent und Bischöflicher Beauftragter für KZ-Gedenkstättenarbeit in der Erzdiözese München und Freising, jedoch versendet in diesen Tagen das vielleicht originellste, sicherlich aber wertvollste Geschenk per E-Mail an jedermann: Er hat drei Texte ausgesucht, die deutlich machten, "wie sehr wir Menschen Frieden nötig haben...wie sehr wir immer neu beginnen müssen, ihn zu suchen und zu finden - angefangen bei uns selbst bis hin in unsere Beziehungen, seien es die privat-persönlichen, die beruflichen oder auch die institutionellen bis hin zu den zwischenstaatlichen und politischen Verbindungen".

Der erste Text stammt von dem Jesuiten Adam Kozłowiecki aus seinen Erinnerungen an die Lager Auschwitz und Dachau zum 24. und 25. Dezember 1944 - also vor 75 Jahren. Den zweiten entnahm Schmidiger dem Buch "Im Namen der Liebe" von Laurie Halse Anderson, in dem sie über ihren Vater, einen der Befreier der Dachau-Häftlinge, schreibt. Der dritte Text ist der Dankesrede von Ahmet Altan entnommen, die er zur Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 2019 hielt. Der Journalist Ahmet Altan, der das Schweigen über den Völkermord an den Armeniern brach, wurde zu lebenslanger Haft in der Türkei verurteilt. Alle drei Texte verschränken sich in dem Appell, Ungerechtigkeit und Unterdrückung niemals wortlos hinzunehmen. Keine Literatur zur Erbauung oder Unterhaltung, sondern - ganz aktuell eben - gegen den wachsenden Antisemitismus und Rassismus aufzustehen.

So jedenfalls will Ludwig Schmidinger sein Geschenk verstanden wissen, das er "anstelle eigener Überlegungen und Gedanken zum diesjährigen Fest der Geburt des Herrn...gewissermaßen unter den Christbaum legt." Wertvolle Gaben - wertvoller noch als Zeit oder irgendein glitzernder Klimbim.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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