Mitten in Dachau:Die Macht der Bärte

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Vor dem Hintergrund der FFP2-Maskenpflicht beteiligen sich vielerorts Kommunalpolitiker an der sogenannten "Bart-ab-Challenge". Doch im Landkreis Dachau ist die vorhandene Gesichtsbehaarung ungefährlich

Glosse von Thomas Radlmaier

Mit einem Bart lässt sich erfolgreich Politik machen. Abraham Lincoln erkannte in der langen Geschichte der USA als erster Präsident die wuchernde Strahlkraft der Gesichtsbehaarung. Viele seine Nachfolger taten es ihm gleich. Zwischen 1869 und 1897 regierten sogar ausschließlich Bärte: Haare bedeckten die Gesichter der Präsidenten Nummer 18, 19, 20, 21, 22, 23 und 24. Doch man braucht gar nicht soweit in der Geschichte zurückgehen. Auch viele aktive Politiker nutzen die Macht des Bartes. Sie befinden sich in allen Parteien: Anton Hofreiter, Manfred Weber, Martin Schulz, Christian Lindner...

Sogar in der Corona-Pandemie hat der Bart einen politischen Nutzen: Man kann ihn abrasieren. Bayernweit gilt eine FFP2-Maskenpflicht beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr. Doch laut Wissenschaftlern sitzen FFP2-Masken bei Bartträgern nicht immer richtig, Viren und Luft können an undichten Stellen vorbeiströmen. "Im Grunde bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, sich zu rasieren", sagte eine Aerosolforscher. Rasieren als Bürgerpflicht. Bärtige Politiker schlagen daraus nun Kapital und greifen vorbildlich zum Rasierer. Der Erlanger Oberbürgermeister Florian Janik hat seinen Bart medienwirksam abrasiert und eine "Bart-ab-Challenge" gestartet. Er postete Fotos vom Rasurvorgang auf Facebook und forderte ein anderes Stadtratsmitglied auf, es ihm gleich zu tun. "Geteiltes Leid ist halbes Leid", schrieb der 40-Jährige. Der aufgeforderte Politiker rasierte daraufhin ebenfalls seinen Vollbart ab und nominierte den nächsten Bartträger aus dem Erlanger Stadtrat. Nun hat auch der Starnberger Bürgermeister zur Klinge gegriffen. Es ist ein Kettenbrief des Kahlschlages im Gesicht.

Im Landkreis Dachau dagegen dürfte es die Rasur-Challenge schwerer haben, Politiker zur Teilnahme zu bewegen. In den meisten Rathäusern sitzen Bürgermeister mit geschmeidiger Haut im Gesicht, da ist alles buchstäblich so glatt wie ein Babypopo. Einzig der Hebertshausener Bürgermeister Richard Reischl und Landrat Stefan Löwl hätten was zum Abrasieren. Wobei man unsicher ist, ob es bei diesen Bart-Prachtstücken überhaupt Probleme mit der FFP2-Maske gibt. Reischl zeigte sich zuletzt mit einem dezenten Schnauzer. Und auch Löwls Bart dürfte sich passgenau und luftdicht von einer FFP2-Schutzmaske bedecken lassen. Insofern folgt jetzt ein Vorschlag: Wenn diese verdammte Seuche irgendwann einmal ein Ende haben wird, starten die Politiker im Landkreis Dachau eine Anti-Bart-ab-Challenge. Dabei gilt es, wachsen zu lassen, was von Natur aus wachsen will.

© SZ vom 23.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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