Mitten in Dachau:Die kleinen Europameister

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Ein Spielplatz ist nicht das Stade de France. Aber dort gibt es mehr Spaß mit Schweini und Ronaldo - und auch viel mehr Tore.

Von Viktoria Großmann

Ronaldo ist gut in Form, keine Spur einer Verletzung, schon gar keine Tränen, er schießt ein Tor nach dem anderen. Jubel unter seinen Mitspielern, Schweinsteiger freut sich besonders laut. Es ist eben so: Eine EM geht nicht einfach vorbei. Sie muss noch ein bisschen weiter leben in den Gesprächen von Fußball- und sonstigen Eventfans, die noch nicht so recht wissen, wie sie diese leeren Sommerwochen zwischen Finale und Beginn des Volksfests füllen sollen. Und sie lebt weiter auf dem Spielplatz am Dachauer Wasserturm unter Kindern, die womöglich zum Anpfiff der letzten Spiele um 21 Uhr längst ins Bett geschickt worden waren.

Die Kinder machen vor, wie eine Europameisterschaft eigentlich erst so richtig europäisch würde: "Ich bin Manuel Neuer", ruft ein Bub. Baut sich aber erst mal so breitbeinig auf wie Cristiano Ronaldo. Einwurf über die Hecke von Pellè, Neuer nimmt an, dribbelt zu Lewandowski. Aus. Neuer muss erklärt werden, dass er eigentlich Torwart ist und kein Müller. Ein anderer möchte ganz gerne Müller sein, überlegt es sich dann noch mal. "Nein, ich bin Schweinsteiger." Recht hat er. Als Schweinsteiger hat er deutlich mehr Torchancen. Allerdings auch ein Verletzungsrisiko und einen dramatischen Hang zum Handspiel.

Fakt ist: Auf dem schattigen Spielplatz fallen deutlich mehr Tore, als in Spielen mit portugiesischer Beteiligung. Es gibt keine Beschwerden über den ungepflegten französischen Rasen, keine Nachtfalter und wenn, dann sterben sie nicht im Flutlicht, die Fans machen nicht "Hu!", sondern verfolgen das Turnier gelassen von der Schaukel aus. Das Spiel dauert, bis einer Hunger kriegt oder die Hortzeit zu Ende ist oder jemandem etwas spannenderes einfällt. Vielleicht auch, bis Müller endlich doch noch ein Tor geschossen hat. Jedenfalls sind am Ende alle irgendwie Sieger. Die Kinder wären ein gutes Vorbild für ihre großen Vorbilder.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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