Mitten in Dachau:Dann doch lieber die Eintagsfliege

Lesezeit: 1 min

Der Ampertaler des Monats hat ein kürzeres, aber auch weitaus erfüllteres Leben als seine gemeine Vorgängerin.

Kolumne von Stefan Salger

Es gibt einen neuen "Ampertaler des Monats". Glückwunsch! Die Gebietsbetreuung hat wieder einen Vertreter der Fauna aus der Kategorie "echter Ureinwohner" ausgewählt, so viel sei schon mal verraten. Die Kanadische Goldrute muss den Wanderpokal also weiterreichen. Verständlich, dass das Gewächs mit den markanten gelben Blüten den Kopf hängen lässt. Aber immerhin konnte die Zierpflanze, die im Ampertal sowas wie eine Zuagroaste ist, ihre Amtszeit vor dem Winter auskosten bis zum letzten Tag. Ihrer Nachfolgerin ist ein solches Glück nicht vergönnt.

Schade. Je älter die "Ampertaler des Monats" werden, desto größer ist angesichts einer schrumpfenden Artenvielfalt auch ihre Chance, irgendwann wieder an der Reihe zu sein - und dies auch noch selbst mitzuerleben. Ein paar Tierarten hätten da die Nase bei einer erneuten Bewerbung vorn. Vielleicht entkommt ja mal ein Kakadu aus einer Voliere des Vogelparks am Amperufer in Olching und findet Gefallen an der faszinierenden Flusslandschaft. Kakadus werden angeblich bis zu hundert Jahre alt. Grönlandwale werden noch älter, würden aber wohl an der Sohlschwelle bei Grafrath stranden. Ebenso wie die Galapagos-Riesenschildkröte, die bis zu 200 Jahre alt wird. Noch mehr Zeit, um den Staffelstab mindestens ein zweites Mal in den, nun ja, Händen halten zu können, wäre die Muschel. Eine Island-Muschel hatte Wissenschaftlern zufolge 507 Jahre auf dem Buckel. Aufgemerkt: Eine Verwandte der Isländerin wurde bereits zum "Ampertaler des Monats" geadelt: die "Gemeine Teichmuschel", im Januar 2020.

Da sieht der aktuelle Preisträger alt aus. Es ist die Eintagsfliege. Auch wenn mehr als sieben auf einen Streich aufs Treppchen steigen dürfen - gekürt wurde die ganze Ordnung der Ephemeroptera. Zwar lernen wir von der Amper-Gebietsbetreuung, dass Eintagsfliegen nicht schon nach 24 Stunden die Grätsche machen (nomen non est omen). Trotzdem könnten sie als geflügeltes Tier ein Revival als Preisträger nur dann erleben, wenn der Verband künftig den Ampertaler des Tages ausrufen würde.

Mit den Teichmuscheln wollen die Eintagsfliegen aber so oder so nicht tauschen. Die fristen ihr wenig bewegtes Leben oft halb eingegraben am Grund von Alt- und Nebenarmen der Amper - während sich bei der Eintagsfliege nach dem Schlüpfen Zeit ihres erfüllten Daseins auf Erden alles um die Fortpflanzung dreht. Merke: Lieber ein paar Tage in Saus und Braus die Jugend feiern, als den Kopf als langweiliger Methusalem in den Sand stecken.

© SZ vom 29.10.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: