Mitten im Landkreis:Rivalen im Fahrradsattel

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Auf dem Weg in die Arbeit wird unser Autor in ein plötzliches Radrennen verwickelt. Es treten an: ein Fahrer aus dem Team "Junggeselle" und einer aus dem Team "Rentner". Wer gewinnt das ungleiche Duell?

Kolumne von Benjamin Emonts

Die Bedingungen für ein großes Rennen bei der "Tour de Dachau" sind geradezu perfekt an diesem Morgen. Am Etappenstart in Großberghofen, zu dessen Sehenswürdigkeiten ein Heimatmuseum zählt, scheint die Sonne, es herrschen angenehme 21 Grad. Der Starter ist bestens gewappnet. Die Langeweile wegen Corona war groß genug, um regelmäßig auf dem heimischen Ergometer zu trainieren. Auch sein Velo ist bestens präpariert: Die Kette ist geölt und die Reifen wurden gecheckt. Gegen 8.30 Uhr ertönt der (imaginäre) Startschuss.

Die Etappe führt über 12,5 Kilometer in ein Büro in der Großen Kreisstadt Dachau, deren Wahrzeichen eine alte Sommerresidenz der Wittelsbacher ist. Die Strecke ist an sich simpel. Nach einem kurzen Anstieg vor Oberroth geht es relativ flach über die Ortschaften Schwabhausen, Stetten und Webling, das für sein Windrad, das erste im Landkreis Dachau, bekannt ist. Kurz vor Dachau folgt dann die Bergankunft. Am Ortsschild unweit des Krankenhauses wird das fulminante Finale erwartet.

Das Rennen verläuft zunächst unspektakulär. Der Großberghofener aus dem Team "Junggeselle" fährt einige Kilometer einsam auf dem Radweg, bis sein Widersacher nach Stetten am Horizont auftaucht. Das Ziel fest in Sicht, schaltet er einige Gänge hoch. Meter für Meter kämpft er sich mühsam heran, gequält von der Frage, ob sich der Kontrahent vom Team "Rentner" mit einem elektrischen Antrieb gedopt hat. Nach zwei Kilometern - der Puls bewegt sich bereits in bedenklichen Höhen - ist der Widersacher dann endlich überholt. Er fährt kein E-Bike. Doch von Erleichterung kann keine Rede sein. Der Gegner erweist sich als einer jener fitten Radfahrer höheren Alters, die sich ungern überholen lassen. In Wahrheit geht das Rennen gegen den Grauhaarigen jetzt erst los.

Einen halben Kilometer vor dem Ziel ist der Vorsprung auf etwa 30 Meter angewachsen, als in Webling, kurz vor der Bergankunft in Dachau, ein Fehler unterläuft. Der Großberghofener verbremst sich am Eingang des Radwegs. Kurz vor dem Anstieg zieht der Rentner grinsend an ihm vorbei, er tritt in die Pedale, als gäbe es kein Morgen. Auch der Junggeselle gibt alles. Radlänge um Radlänge kämpft er sich zurück. Doch es reicht nicht. Der Rentner passiert als Erster das Ortsschild. Die imaginären Fans jubeln.

In Dachau fahren die Kontrahenten verschwitzt und schwer atmend noch eine Weile nebeneinander her. Eine Gratulation ist überfällig: "Sie sind aber ganz schön schnell unterwegs." Der Rentner entgegnet nur: "Ich komme gerade aus Dillingen hinter Augsburg, ich bin seit fünf Uhr unterwegs." Er hat das Rennen gewonnen, obwohl er bereits 90 Kilometer in den Beinen hatte. Womöglich hatte er das Ziel fester vor Augen: "Dachau ist meine Heimatstadt", sagt er. "Ich komme sehr gerne hierher."

© SZ vom 10.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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