Mittelschulen:Streit um Lehrermangel eskaliert

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Das Kultusministerium rüffelt die Dachauer Schulrätin, weil sie befürchtet, dass die Mittelschulen nicht ausreichend mit Pädagogen versorgt werden. Das wiederum kritisiert SPD-Bildungsexperte Martin Güll.

Andreas Glas

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) im Kreis Dachau hat scharfe Kritik geübt am Umgang der Staatsregierung mit dem Lehrermangel an Bayerns Schulen. Auch SPD-Bildungssprecher Martin Güll bezeichnete die jüngsten Äußerungen von Kultusminister Ludwig Spaenle als "Unverfrorenheit". Am Freitag hatte ein Ministeriumssprecher die Aussagen der Dachauer Schulrätin Isolde Stefanski zurückgewiesen, wonach im Landkreis eine ausreichende Versorgung mit Lehrkräften im neuen Schuljahr gefährdet sei. "Im Kultusministerium herrscht nur noch Chaos", sagte Güll. Seit Ferienbeginn steht Minister Spaenle in der Kritik, weil offenbar die Schülerzahlen an Mittelschulen falsch prognostiziert wurden.

Gibt es im nächsten Schuljahr zu wenig Lehrer an den Mittelschulen im Landkreis Dachau? Das Kultusministerium sagt Nein. (Foto: DAH)

Ursprung der Debatte war ein Brief, den der Schulräteverband vor gut zwei Wochen an das Kultusministerium geschickt hatte. Darin bezeichneten die Schulräte den Lehrermangel an Grund- und Mittelschulen als so groß, dass der Unterricht im kommenden Schuljahr nur mit Mühe sicherzustellen sei. Als sich die Leiterin des Dachauer Schulamtes, Isolde Stefanski, jener Kritik anschloss und im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung von "beachtlichen Lücken" auch im hiesigen Landkreis sprach, reagierte das Kultusministerium seinerseits mit heftiger Kritik an der Schulrätin. Es habe sich lediglich um "persönliche Einschätzungen" Stefanskis gehandelt, sagte Ministeriumssprecher Ludwig Unger.

Eine bayerische Beamtin muss eben ihrem Dienstherren gegenüber loyal sein", kommentiert Stefan Wohletz, stellvertretender Vorsitzender des Dachauer BLLV, den Rüffel des Ministeriums für Stefanski. Es sei schizophren, dass ein Lehrer seine eigene Meinung nur äußern dürfe, wenn sie nicht den Ansichten des Kultusministeriums widerspreche. Güll wertete die Zurechtweisung Stefanskis als Anzeichen der Schwäche: "Im Kultusministerium scheint ja hochgradige Nervosität zu herrschen, was die Lehrerversorgung an Mittelschulen betrifft." Die Dachauer Schulrätin habe mit ihrer Einschätzung "mehr als Recht", sagte der Dachauer SPD-Kreisvorsitzende.

Als besonders kritisch hatte Stefanski die Situation des Mittelschulverbundes Dachau und Markt Indersdorf sowie der Mittelschule Karlsfeld bewertet. Vor allem in den Fächern Deutsch und Mathematik fehle es an qualifizierten Lehrkräften. Außerdem sei der Wahlunterricht gefährdet. "Frau Stefanski hat die Befürchtung, dass sich der für Bayern absehbare Lehrermangel auch in Dachau bewahrheitet. Und im Moment ist es eben so, dass die Lehrer nicht da sind", sagt Güll.

Den Hauptgrund für den Lehrermangel an Grund- und Mittelschulen sehen Opposition und BLLV in falschen Prognosen der Schülerzahlen für das Jahr 2012/13. Demnach sei mit etwa 4 300 Kindern mehr zu rechnen als vom Kultusministerium erwartet. Die vom Ministerium mobilisierte Reserve von 139 Lehrern sei nicht ausreichend, um diese Lücke zu schließen. Zwar halten sowohl Stefanski als auch Güll es für möglich, dass die Grundversorgung bis Herbst doch noch sichergestellt werden könne. Doch für Zusatzangebote wie Musik, Sport oder die Förderung von Schülern mit Lese- und Rechtschreibschwäche werde es definitiv an Personal mangeln.

Für Stefan Wohletz ist klar, weshalb das Ministerium die Schülerzahlen zu niedrig kalkuliert hat: "Natürlich spart man Geld damit." Statt alljährlich einen Planungspuffer bei den Finanzen anzusetzen, wünsche er sich von der Politik "einen Puffer auf der anderen Seite" - bei der Berechnung des notwendigen Lehrerpersonals. Dieser Missstand betreffe nicht nur die Grund- und Mittelschulen: "Auch an Gymnasien ist es ein Skandal, dass 34 Schüler in einer Klasse sitzen."

Vermutlich muss der Lehrermangel auch in diesem Jahr durch den Einsatz von Realschul- und Gymnasiallehrern ausgeglichen werden, die im Unterschied zu ihren Mittelschulkollegen häufig arbeitslos sind. Der Sprecher des Kultusministeriums gibt sich indes sorglos: Die Versorgung mit Lehrkräften werde nicht schlechter sein als im vergangenen Schuljahr.

© SZ vom 22.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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