Mittelschule Karlsfeld:Vom "Ausländerkind" zum Schulleiter

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Das Karlsfelder Modell hat ihn immer gereizt: der neue Leiter der Mittelschule Karlsfeld, Hakan Özcan, und seine Stellvertreterin Anja Kreter. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Als Pädagoge mit Migrationshintergrund ist der neue Leiter der Mittelschule Karlsfeld, Hakan Özcan, in Bayern immer noch eine Ausnahmeerscheinung.

Von Anna-Sophia Lang, Karlsfeld

Menschen wie Hakan Özcan gibt es in Bayern nur wenige. Sohn türkischer Gastarbeiter, Muslim - und Lehrer. Gerade einmal sechs Prozent der Lehrer, schätzt der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband, haben einen Migrationshintergrund. Dabei trifft das Gleiche auf fast ein Viertel der Schüler zu. "Auf Konferenzen war ich die Ausnahme", sagt Özcan und lacht. Genauer gesagt: auf Schulleiterkonferenzen. Sieben Jahre war er Konrektor an der Mittelschule Ismaning. Seit Beginn dieses Schuljahres leitet er die Mittelschule Karlsfeld.

Groß geworden ist er auf dem Dorf, in Niederalteich in Niederbayern. Ein 1000-Seelen-Ort und mittendrin die Özcans, erste türkische Familie überhaupt. Die drei Söhne gingen aufs Gymnasium. Von Schülern mit Migrationshintergrund sprach damals niemand. "Wir waren die Ausländerkinder." Durch seinen Job hat Özcan gelernt zu vermitteln. Zwischen Schülern, Eltern und Kollegen. Ob seine Mütze eine religiöse Bedeutung habe, fragte ein Kollege ihn eines Winters während des Referendariats. Dabei war die Mütze ganz einfach ein modisches Accessoire. Schlimm fand Özcan die Anmerkung nicht. Er lacht. "So kommt man ins Gespräch." Traditionen erklären, Fragen zu Gepflogenheiten beantworten, vermitteln - das will er auch an der Mittelschule Karlsfeld tun. Er sieht sich als Mediator in einer Schule, auf die viele Kinder mit Migrationshintergrund gehen. "Hier ist es bunter", sagt Özcan, wenn man ihn nach dem Vergleich zu seiner früheren Schule fragt. "Das Gebäude, die Schüler." Ein Mix der Nationalitäten und Kulturen, typisch Karlsfeld eben. "Das macht es spannend, aber auch fordernd."

Das Karlsfelder Modell zieht nicht nur die Schüler an

Wie im Vorjahr gibt es zwei Übergangsklassen für alle, die keine oder wenige Deutschkenntnisse haben. Unter ihnen sind junge Flüchtlinge genauso wie Jugendliche aus der EU. Sie sollen auf Dauer in die Regelklassen integriert werden. Keine leichte Aufgabe und zugleich eine, die von der neuen Leitung als eine der wichtigsten angesehen wird. Der Bedarf wird steigen, glaubt Özcan.

Er tritt in große Fußstapfen. Sein Vorgänger Peter Wummel ist an der Schule und in der Gemeinde so etwas wie eine Lichtgestalt. Seiner Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass Mittelschüler in Karlsfeld ihren Abschluss nicht nach neun, sondern nach elf Jahren machen können, und dazu auf Realschulniveau, was bei potenziellen Arbeitgebern äußerst gut ankommt. Es liegt daran, dass die Schülerzahlen an der Karlsfelder Mittelschule im Gegensatz zu anderen steigen statt sinken. Etwa 350 junge Leute in 18 Klassen sind es in diesem Schuljahr. Da hat man es nicht leicht als Nachfolger. Für Özcan war es sogar genau diese Leistung Wummels, die ihn nach Karlsfeld gelockt hat. "Es war Zeit für eine neue Aufgabe. Das Karlsfelder Modell hat mich immer gereizt."

Fan der Digitalisierung

Özcan hat die Entwicklung verfolgt, vor allem die Kooperation mit den Realschullehrern hat ihn interessiert. Nun will er aufbauen auf dem, was hier geschaffen wurde. Drei ehemalige Realschul- und Gymnasiallehrer fangen in diesem Schuljahr an der Mittelschule an, das passt gut ins Konzept. Er wolle das Karlsfelder Modell weiterentwickeln, sagt er, auf lange Sicht. Ein paar konkrete Pläne gibt es schon. Zum Beispiel will er sich noch mehr mit dem Kollegium austauschen, zu Schulprojekten und Fortbildungen, und die Kommunikation zwischen Leitung und allen Lehrkräften erleichtern. Er will "Projekte reflektieren und weiterentwickeln", eine AG Klettern wurde auf seine Initiative hin schon eingerichtet, mit geschultem Betreuer natürlich. Außerdem sagt Özcan über sich , er sei ein "Fan der Digitalisierung". Stundenpläne und Vertretungen hat er schon in elektronische Form überführt. Klassenzimmer will er mit Beamern und Dokumentenkameras ausstatten, der modernen Version eines Overhead-Projektors. Die Gemeinde Karlsfeld, von der Özcan sich bereits jetzt bestens unterstützt fühlt, hat Zustimmung signalisiert. "Die Geräte wurden uns zeitnah in Aussicht gestellt."

Trotzdem, Özcan muss sich erst mal einleben, die Schule kennenlernen. "Für mich zählt das Jetzt. Das habe ich auch dem Kollegium gesagt." Seiner Stellvertreterin Anja Kreter geht es genauso. Bis zum Sommer leitete sie die Ludwig-Thoma-Mittelschule in Dachau, die im Juli geschlossen wurde. Als neues Leitungsteam hereinzupoltern und alle mit neuen Plänen zu überschütten, kommt für sie nicht in Frage. "Man kann nicht über den Kopf der Kollegen hinweg arbeiten." Zumal das an der Mittelschule auch nicht nötig sei. "Sie hat einen sehr guten Stand, hier hat sich viel bewegt in den vergangenen Jahren."

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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