Die Idee für eine Tiny House-Siedlung in Karlsfeld findet große Resonanz. Die Rathausverwaltung wurde daher nun beauftragt, nach geeigneten Grundstücken zu suchen. Als die CSU im Sommer publiziert hatte, dass sie diese neuartige Wohnform begrüßen würde, meldeten sich viele Interessenten. "Das Telefon stand fast gar nicht mehr still", sagt der Karlsfelder CSU-Chef Christian Bieberle. Im Gemeinderat meldeten sich allerdings auch einige Kritiker zu Wort: "Da würde viel Grund und Boden verbaut", monierte etwa Marco Brandstetter (Bündnis). Dennoch entschied sich die Mehrheit dafür, die Idee weiterzuverfolgen.
Der Trend für Tiny Houses kommt aus den USA. Auch hierzulande verbreitet sich die Idee, ganz minimalistisch in winzigen Häuschen zu leben, die man sogar versetzen kann, wenn der Grund irgendwann nicht mehr zur Verfügung steht oder der Eigentümer umziehen will. 20 bis maximal 50 Quadratmeter sind die Häuschen groß. "Das spricht gerade junge Leute an", sagt Bieberle. Vielleicht sei dies eine Möglichkeit für die Kinder, im Ort bleiben zu können, meint der Baureferent des Gemeinderats. Die inzwischen sehr hohen Mieten in Karlsfeld können sie sich nicht mehr leisten, deshalb ziehen die meisten weg. Bieberle dachte aber auch an Senioren, die ihr großes Haus den Kindern überlassen und dafür ganz in der Nähe in ein Tiny House ziehen könnten. Auch Alleinerziehende könnten von dieser neuen Wohnform profitieren.
Einfach ein Häuschen in die Landschaft setzen, das gehe nicht, sagte Bauamtsleiter Günter Endres. "Tiny Houses sind bauliche Anlagen, die ortsfest benutzt werden und deshalb in der Regel genehmigungspflichtig." Praktisch seien sie genauso wie sonstige Wohngebäude zu behandeln. Das heißt, im Außenbereich sind sie nicht zulässig, weil sie keine Privilegierung haben und im Innenbereich müssten sie innerhalb bebaubarer Flächen liegen und dürften den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen. Der Nachteil der winzigen Häuser sei ein relativ "hoher Erschließungsaufwand", so Endres. Denn Kanal- und Straßengebühren fielen ebenso an wie bei großen Häusern. Die Bewohner müssten entsprechend der gemeindlichen Satzung auch ein oder zwei Stellplätze nachweisen. In den vergangenen Jahren habe man versucht, möglichst flächensparend bezahlbaren Wohnraum zu planen und deshalb den Geschosswohnungsbau im Fokus gehabt, bemerkte der Bauamtsleiter. Zu diesem Konzept würden die Tiny Houses nicht passen.
Es sollte keine unwiderrufliche Nachverdichtung sein, sondern eine "Möglichkeit, temporär Flächen zu nutzen - vielleicht für zehn oder 15 Jahre", erwidert Bieberle. "Wir könnten uns vorstellen, angrenzend an ein Wohngebiet, Flächen zu arrondieren. Erschließung und Straße wären in den Gebieten schon da. Nur der Flächennutzungsplan müsste geändert werden." Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) erinnert an den Nachteil des Geschosswohnungsbaus: "Da muss die Gemeinde immer die hohen Folgekosten tragen" - neue Krippen, Kindergärten, größere Schulen und so weiter. Karlsfelds Kommunalpolitiker sind sich einig, dass sie in nächster Zeit keine größeren Bauprojekte mehr entwickeln wollen.
"Das ist kein Beitrag, kostengünstiges Wohnen zu schaffen", kritisierte Adrian Heim (Bündnis). Tiny Houses seien eher für Leute, die einen bestimmten Lebensstil verwirklichen wollten, die aber nicht auf preiswerten Wohnraum angewiesen seien. Den meisten geht es tatsächlich mehr um Naturnähe oder darum, die Umwelt möglichst wenig zu belasten. Andere sind fasziniert von der Einfachheit. Wer nur noch das Nötigste besitzt, fühlt sich leichter und entschleunigt - so lautet die Philosophie dahinter. Sehr viele Anhänger dieser Idee hätten "aber Geld genug", meinte Brandstetter. "Das ist nicht der richtige Weg für Karlsfeld."
"Damit ist die Entwicklung der Flächen für sehr lange Zeit blockiert", moniert Beate Full (SPD). Außerdem fürchtet sie, dass die Ausweisung einer Tiny-House-Kolonie Spekulanten Tür und Tor öffnen könnte. Die einen, weil sie Pachteinnahmen generieren könnten, während der Grund von Jahr zu Jahr an Wert steige; die anderen, weil vielleicht eine landwirtschaftliche Fläche im Flächennutzungsplan umgewidmet werden müsste, kleine Erschließungsmaßnahmen nötig wären und vielleicht sogar neues Baurecht ausgewiesen werden würde, was den Wert des Grundes um ein Vielfaches steigern könnte, so Full. Der erste interessierte Grundstückseigentümer hat sich bereits bei der Gemeinde gemeldet. "Wir brauchen bezahlbares Wohnen, keine Bodenspekulation", kritisiert die SPD-Gemeinderätin.
Konflikte sieht Full auch mit dem Naturschutz. Sobald man "einen Schritt aus dem Flächennutzungsplan herausgeht", sei man auf Landschaftsschutzflächen. Diese sollten das Dachauer Moos schützen, deshalb müsse man sie erhalten und nicht mit kleinen Häuschen "verschandeln". Karlsfeld habe ohnehin zu wenige schöne Naturflächen. Auch Mechthild Hofner war gegen eine solche Kolonie. Sie sah, ebenso wie ihre anderen Kollegen vom Bündnis, die "Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt zwischen Wohnraum und Flächenverbrauch". Als flächenarme Kommune müsse Karlsfeld "ressourcenschonend" arbeiten.
Die Grünen zeigten sich dagegen hellauf begeistert von dem Tiny-House-Projekt: "Man könnte das gut als ökologisches Vorzeigeprojekt machen", meint Heike Miebach. Etwa um zu demonstrieren, wie eine autarke Energieversorgung funktionieren könnte - mit Klär- und Solaranlagen. "Das ist interessant und zukunftsweisend", sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat. "Die Idee ist von Grund auf grün und dient der ökologischen Wissensbildung." Es gebe bereits ein Netzwerk, dass auf der Suche nach Flächen für eine Tiny-House-Kolonie sei. Dieses streite auch dafür, dass das Baurecht reformiert werde, damit diese Form des mobilen Wohnens künftig nicht mehr dem typischen Erschließungsrecht unterliege.