Milder Winter:Schneefrei

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Die milden Temperaturen lösen allerorten Frühlingsgefühle aus. Bienen und Vögel brüten schon, es gibt viel mehr Wildschweinferkel - nur die Skifahrer verzweifeln und hoffen doch noch auf einen plötzlichen Wintereinbruch.

Von Julian Erbersdobler

Seit Wochen hat es im Landkreis Dachau kaum geschneit, Frost ist weitgehend ausgeblieben. Die ungewöhnlich milden Temperaturen im Februar wecken Frühlingsgefühle - die kalte Jahreszeit gibt es nur noch in Erinnerungen . Mit diesem Phänomen scheint die Tierwelt weniger Probleme zu haben. Ski- und Snowboardfahrer leiden dagegen unter Entzugserscheinungen und sehnen sich nach Schnee.

Der Bauhofmitarbeiter

Seit 18 Jahren arbeitet Jürgen Junghans im Bauhof der Gemeinde Petershausen. "So einen milden Winter", sagt er, "habe ich in dieser Zeit noch nie erlebt." Seiner täglichen Arbeit kommen die Temperaturen aber entgegen. Überstunden könnten jetzt gut abgebaut werden. Auch die Gemeinde wird sich über den milden Winter freuen. "Normal verbrauchen wir ungefähr fünf bis sechs Lastwagenladungen Salz, bisher haben wir nur eine verbraucht", sagt Junghans. Eine Ladung kostet etwa 2200 bis 2600 Euro. Ein Nachteil des milden Winters: Kulturhecken, die als Abgrenzung zwischen Äckern dienen, könnten derzeit nicht zugeschnitten werden. Dafür sei der Boden zu weich - die Arbeit muss warten. Trotzdem komme bei ihm und seinen Kollegen keine Langeweile auf. "In der Gemeinde gibt es immer was zu tun."

Der Skiliftbetreiber

Franz Heitmaier gehört ein Skilift in Bergkirchen. Der frühlingshafte Winter trifft ihn besonders hart. "Wir konnten unseren Lift kein einziges Mal aufmachen", sagt der Besitzer. Üblich seien etwa 20 bis 30 Skitage pro Saison. Selbst ein schlagartiger Wintereinbruch, der nicht in Sicht ist, könne die Bilanz nicht mehr aufpolieren. Während der vergangene Winter als Erfolgsjahr des Bergkirchner Liftes einging, lässt die kalte Jahreszeit nun auf sich warten. Aber warum eigentlich? "Auf den Klimawandel kann man es nicht schieben", sagt der Liftbetreiber. Franz Heitmaier nimmt es sportlich, schließlich ließe sich gegen eine Laune der Natur nichts ausrichten.

Der Imker

Der milde Winter macht auch den Imkern zu schaffen. "Normalerweise ruhen die Bienen zwischen November und Februar", weiß Walter Niedermeier, Vorsitzender des Imkervereins Dachau. Statt der üblichen Brutzeit Mitte Februar sind die Bienen nun bereits seit Weihnachten aktiv. Die Folge: Während dieser Zeit brauchen die Bienen mehr Energie, also mehr Futter. Das müsse aber nicht zwangsläufig zum Problem werden. Bleibt es im Laufe des Jahres bei den milden Bedingungen, ist die Nahrungssuche ungefährdet. Niedermeier macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: Mit den Plusgraden im Winter steige auch die Zahl der Parasiten. Im Sommer sinkt die Lebensdauer der Milben dagegen bei Hitze wieder. Der Imker hofft deshalb auf ein "trockenes und warmes" Jahr.

Der Förster

Gute Nachrichten für alle Wildschweinfans: "Durch den milden Winter werden die Säue recht munter in der Nachwuchsproduktion", sagt Franz Knierer vom Forstrevier Odelzhausen. Mit den Plusgraden steigen die Überlebenschancen der kleinen Ferkel. Die Bauern müssen deswegen mit kleineren Schäden an ihren Äckern rechnen. Problematisch sei das aber nicht. Knierer macht sich mehr Gedanken über den Abtransport von geschlagenem Holz aus dem Wald. Der Forst gleiche einer Schlammwüste, die dem Gewicht der Lastwagen nicht standhalten kann. "Besonders im bäuerlichen Forst kommt es daher zu Wegschäden", erklärt der Förster.

Der Fahrradhändler

"Was sonst geballt im März anfällt, können wir jetzt schon teilweise Anfang Februar erledigen", sagt Andreas Nastoll, Inhaber des Dachauer Fahrradgeschäfts Böhm. Das milde Wetter ziehe viele Radler schon früher auf die Straßen als gewohnt. Besonders beliebt: Das Fitmachen des Fahrrads für die Saison. Vom Bremsen- und Lichtcheck geht der Service bis zu Reparaturen an den Pedalen. Für Andreas Nastoll und sein Geschäft bringen die frühlingshaften Temperaturen einen weiteren Vorteil mit sich: Nastoll hat seit Jahresbeginn bereits das ein oder andere Fahrrad verkaufen können. Das wirkt sich natürlich auf die Laune des Dachauer Unternehmers aus.

Der Gärtner

Siggi Klein, Biogärtner aus Bergkirchen, kümmert sich um etwa 11 000 Quadratmeter Pflanzenfläche. "Den meisten Pflanzen tut der milde Winter gut." Entscheidend für das Wachstum sei aber nicht die Temperatur, sondern das einstrahlende Sonnenlicht. Der sonnige und milde Winter zahlt sich für Klein also doppelt aus. Kostenersparnisse für die Heizung seiner Gewächshäuser inklusive. An den vergangen Winter denkt er dagegen mit Grauen zurück: "Die dunkle Zeit ging bis in den März und hat nicht nur die Pflanzen, sondern auch uns Menschen depressiv gemacht", erinnert sich der Gärtner. Dieser Winter gefalle auch seinem Feldsalat deutlich besser.

Der Dachdecker

"Zwischen Weihnachten und Fasching ist eigentlich bei uns Ruhe, da ändern auch die milden Temperaturen nichts dran", sagt der Indersdorfer Spenglermeister Richard Gletter. Der Winter sei trotz des frühlingshaften Wetters noch heute beim Kunden nicht als Auftragszeit im Hinterkopf. "In den vergangenen zehn Jahren war es in dieser Phase immer unmöglich, auf dem Dach zu arbeiten." Die milden Wintertemperaturen seien auf der anderen Seite aber auch nicht zu unterschätzen. In der Nacht habe es etwa gerade einmal null Grad - akute Rutschgefahr auf dem Dach. Am Aschermittwoch wartet Gletters erster großer Auftrag des neuen Jahrs auf ihn. Ob der Winter bis dahin aus seinem Tiefschlaf erwacht ist?

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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