Medien:Schnittstellen-Forschung

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Die Zeitschrift Amperland ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie Regional- und Landesgeschichte sich miteinander verknüpfen. Dadurch entsteht eine neue, reflektierte Nähe zur eigenen Heimat. Großer Festakt zum 50. Jubiläum

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Auch wenn die Anekdote schon etwas älter ist und im Rundfunk zu hören war, bleibt sie doch sinnstiftend für die Idee der Zeitschrift Amperland, die am Freitag das 50-jährige Bestehen mit einem Festakt in Dachau feiert. Der Weiler Xyger am Rande des Landkreises Dachau heißt so, weil sich König Ludwig I. in den griechischen Buchstaben Y verliebt hatte. Er war ein Griechenland-Fan und verordnete im Jahr 1825, dass sein Königreich künftig "Bayern" heißen soll. Und so kam es, dass ein beflissener, königlicher Beamter zu Aichach aus dem Ort Gsiaga, was so viel heißt wie Mulde, in die Wasser versickert, das heutige Xyger machte. Bildungsbeflissene Juristen auf dem Weg zum Frauengefängnis in Aichach riefen deshalb schon bei Chefredakteur Wilhelm Liebhart an, um ihm mitzuteilen, dass sich in seiner Heimat quasi ein griechischer Ort befinde.

Klar, Liebhart wusste das. Die Anekdote öffnet den Blick für die enorme Bedeutung der Regionalgeschichte. Darauf, wie sich Schnittstellen zwischen der großen und der kleinen Geschichte ergeben. Und wie unvermittelt Ereignisse, die man aus den Geschichtsbüchern kennt, an einen heranrücken. So nah wie in der Erzählung vom Benediktinermönch Josef Grahamer, der aus Eisenhofen bei Erdweg stammte, und als Missionar in Nordkorea ums Leben kam. Dieses Schicksal wird noch in der nächsten Zeit aktuell werden, weil für die Benediktinermönche im Missionsdienst in diesem asiatischen Land ein Verfahren zur Heiligsprechung in Rom läuft. Seit 50 Jahren bewegt sich das Amperland an dieser Schnittstelle.

Wilhelm Liebhart aus Altomünster und Geschichtsprofessor in Augsburg erinnert sich an die Anfänge und an seinen Historikerkollegen Gerhard Hanke und früheren Dachauer Stadtarchivar. Hanke entwickelte aus einer Anfrage des früheren Dachauer Landrats und bayerischen Kultusministers Josef Schwalber über ein Heimatbuch das Konzept für eine Heimatzeitschrift. Am 18. Februar 1964 fand die maßgebliche Besprechung im Dachauer Zieglerbräu statt. Am 11. März 1965 lag das erste ausgedruckte Heft vor. 1969 beteiligte sich die Dachauer Verlagsanstalt Bayerland. Aber mehrmals geriet die Zeitschrift in Existenznot: Mitte der 1970er Jahre griff der Museumsverein Dachau rettend ein. Am 26. Juni 1980 schließlich erklärten sich die Landkreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck bereit, die Trägerschaft als Herausgeber mit zu übernehmen. 1982 wurde das Gebiet der Zeitschrift um den Münchner Norden und Westen erweitert, die bis 1802 zum Landgericht Dachau gehört hatten. Deswegen gibt es seitdem Zuschüsse des Kulturreferats der Landeshauptstadt und des Bezirks Oberbayern.

Die Titelseite ist neu gestaltet worden und erstmals erschienen. Chefredakteur Wilhelm Liebhart hofft darauf, dass die aktuelle Ausgabe noch für den Festakt am Freitag im Landratsamt Dachau fertig wird.

Die Erinnerng an die Folgen der Napoleonischen Kriege.

Die Biografie der Ordensgründerin Franziska Streitel.

Dr. Gerhard Hanke Gründer der Zeitschrift Amperland.

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(Foto: DAH)

Kaleidoskop von Geschichte und Kultur in der Zeitschrift Amperland: Eine Biografie der Malerin Maria Langer Schöller.

1995 erhielt das Amperland den Bundespreis der deutschen Heimatzeitschriften des Deutschen Heimatbundes. 2004 folgte die Auszeichnung mit dem Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung, die von einem Vorschlag aus der Leserschaft angeregt wurde. Zu der Zeit war die Zeitschrift finanziell gefährdet, weil nicht klar war, ob Fürstenfeldbruck und Freising ihre Finanzierung zurückziehen würden. Am 11. Juni 1998 war überraschend Gerhard Hanke gestorben, der das Geschick der Zeitung über 30 Jahre geprägt hatte. Und jetzt sagt Wilhelm Liebhart, Hankes Nachfolger, dass die Zukunft gesichert sei. "Wir haben genügend Autoren und Themen." Da schwingt Stolz mit. Denn zahlreichen Regionalzeitschriften in Bayern geht es ziemlich schlecht.

In seinem Beitrag zur aktuellen Ausgabe des Amperlands wählte Liebhart den Weg von der Lokalgeschichte zur Landesgeschichte. Er schildert zunächst die Auswirkungen der Napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf Altomünster, Hohenzell und Dachau. Anschließend bindet er sie in einen größeren Zusammenhang ein. Der Fürstenfeldbrucker Stadtarchivar Gerhard Neumeier befasst sich mit der Nachkriegsgeschichte der Stadt und des Landkreises und kommt zu dem Schluss, dass die Forschungsarbeit erst noch beginnen müsse. Die Schnittstellen dort müssen erst noch erforscht werden. Da ist der Landkreis Dachau mit seinen Geschichtswerkstätten schon viel weiter. Das Vorhaben, an dem sich die Zeitschrift Amperland als Ausbilder für Heimatforscher beteiligt, hat zahlreiche spannende Beiträge ergeben: Wie die Menschen die so genannte Stunde Null erlebten, was ihnen in Erinnerung geblieben ist, vor allem wie sich die Ereignisse im Gedächtnis erhalten haben.

Das Amperland ist eine Zeitschrift, die auf die wissenschaftliche Qualität der Beiträge wert legt und damit auf ein angemessenes Quellenstudium. Aber mittlerweile hat sich auch in Deutschland die mündliche Überlieferung als wesentliche Quelle durchgesetzt. Sie gilt als unerlässlich für die Geschichte des Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit bis in die frühen sechziger Jahre hinein.

Diese Entwicklung hat das Konzept des Amperlands verändert. Zunächst standen drei Schwerpunkte fest: die klassische Volkskunde (Brauchtum und Bräuche), die regionale Geschichte und die Kunstgeschichte. Letztere ist besonders für Dachau und dessen Bedeutung für die moderne Malerei wichtig, weshalb beispielsweise Jutta Mannes, Pressesprecherin des kommunalen Zweckverbands Dachauer Museen und Galerien, im neuesten Heft mit einem Beitrag über die Malerin Maria Langer-Schöller vertreten ist. In ihrem Aufsatz wird zudem deutlich, wie Zeit- und Kunstgeschichte sich miteinander in einzelnen Schicksalen verknüpfen. Langer-Schöller trat der NSDAP bei, obwohl ihre Kunst sich an Matisse ausrichtete.

Es sind diese Ambivalenzen oder Gratwanderungen, auch der Opportunismus, die Chefredakteur Liebhart und sein Team interessieren. Der erste Beitrag zur Zeitgeschichte befasste sich übrigens mit dem Leben des Panzergenerals Wilhelm Ritter von Thoma aus Dachau, aus dessen Abhörprotokollen durch den britischen Geheimdienst ersichtlich wurde, dass er ein Nazigegner war. Aber gehörte auch zur Legion Condor im spanischem Bürgerkrieg.

Die Dachauer Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter würdigte den Lyriker Michael Groißmeier in einer kleinen Laudatio. In dem Gedicht "Dachau" findet die Forschung des Amperlands über die Stadt und den Landkreis einen Ausdruck, der die Gefühlslage vieler Bewohner dieses Landkreises in den vergangenen Jahrzehnten prägte: "Und doch, er soll ans Licht,/der Name, der entehrt!/Nicht heilt ihn mein Gedicht,/das ist wie ich versehrt."

Die Zeitschrift Amperland erscheint vierteljährlich im Dachauer Bayernland Verlag. Sämtliche Ausgaben seit dem Jahr 2000 sind online verfügbar unter www.zeitschrift-amperland.de. Der Redaktion gehören aus Dachau an: Chefredakteur Wilhelm Liebhart aus Altomünster und der Dachauer Stadtarchivar Andreas Bräunling. Fürstenfeldbruck: Lothar Altmann und Klaus Wollenberg. Freising: Kreisheimatpfleger Rudolf George und Stadtarchivar Florian Notter.

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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